Zu Gast bei autonomen Biobauern
Solarpanels mit Sohn des Hauses |
Direkt aus dem Auto bekommen wir eine Führung über den
Bauernhof: es gibt eine kleine Ziegenherde, Hasen (ganz stolz wird betont dass
es sich hierbei um eine Rasse aus den USA handelt- um eine REINE Rasse), ein
paar Hühner die zu meiner innigsten Freude tatsächlich frei herumlaufen dürfen
und sich guter Gesundheit zu erfreuen scheinen, ein trächtiges Pferd das in
einem Stall steht welcher mich an die Raumbilder von de Chirico erinnert und
einen kleinen Hund. Letzterer wird wohl zuliebe der Kinder gehalten, wobei das
Verhältnis zu Tieren hier tatsächlich wohl noch ein anderes ist- zumindest
besteht das Spiel mit dem Hund darin ihn anzulocken und dann mit kleinen
Steinen zu bewerfen.
Pferdestall -nach Chririco? |
Zum ersten Mal (erstaunlicherweise kommt mir erst jetzt
der Gedanke) frage ich mich, wie ich eigentlich auf die Idee kam im Ausland ein
Praktikum in der Landwirtschaft zu machen und warum ich nicht einen Moment lang
daran gedacht habe, dass meine Bilderbuch- Biobauernhof- Vorstellungen hier
einfach fehl am Platz sind. Mir war bisher tatsächlich nie der Gedanke
gekommen, dass ich in Gewissenskonflikte kommen könnte wenn ich hier arbeite,
weil ich nicht daran gedacht habe dass die Arbeit die ich hier leisten soll
meinen Grundsätzen zuwider strebt. Irreführend war vielleicht das Wort „Bio“
vor der Hühnerzucht die mich hier erwartet hat; denn auch die Vorstellungen von
Bio gehen weit auseinander wie ich nun hautnah erleben darf. Aber zurück zu
unserem Ausflug. Wir werden auf Feldern herumgeführt auf denen hauptsächlich
die Luzerne wächst- die sich als ziemlich einzige Pflanze nährstoffreich und
hitzeresistent wunderbar als Tierfutter eignet. Allerdings gießen sie hier
mittags mit Gartensprinklern die Felder und wir lassen leise und vorsichtig
anklingen ob nicht frühmorgens und spätabends die bessere Zeit wäre um zu
gießen damit die Pflanzen nicht verbrennen. Unser Gastgeber nickt zustimmend,
aber ich bin mir nicht ganz sicher ob wir ihn wirklich überzeugen konnten. An
den Feldern mit dem typischen, recht bitteren Salat der hier gedeiht, roter
Beete, Kartoffeln und Karotten geht es zu den sechs Solarpanels mit denen die
Pumpe betrieben wird die das Wasser zur Bewässerung der Felder aus dem eigenen
Brunnen hoch pumpt. Dieser Brunnen ist ein 15 Meter tiefes Loch, welches sich
ohne Absperrung im Garten auftut- am Rande des Spielbereichs der Kinder. Ob der
Wasserspiegel in den letzten zwei Jahren gesunken ist wollen sie uns nicht
verraten. Anschließend wird uns stolz der wunderschöne, blühende kleine
Privatgarten vorgeführt, der sich direkt vor den kleinen, verwinkelten Zimmern
des Hauses befindet. Nun dürfen wir Platz nehmen in dem Raum für Frauen, der
durch zwei Vorhänge von dem für Männer getrennt ist. Nach einiger Zeit fällt
uns auf dass das anscheinend immer wieder als Schlachtraum für die Ziegen
genutzt wird; die Haken hängen noch an der Decke. Um ein paar Fotos zu machen
begebe ich noch einmal in die Mittagshitze und bekomme sofort zwei männliche
Begleiter und Aufpasser zugesprochen; die Söhne des Gastgebers, die mit mir auf
arabisch kommunizieren und mit denen ich auf französisch spreche. Aber die
Verständigung klappt trotzdem einigermaßen. Zurück im Wohnzimmer der Frauen
dürfen wir den drei Monate alten Sohn babysitten und singen ihn in den Schlaf
nachdem der Kleine nach durchwachter Nacht völlig übermüdet sein dürfte. Das
ist allerdings gar nicht so einfach bei den Fliegenschwärmen die es lieben sich
auf duftende Menschenhaut zu setzen und so das Einschlafen erschweren.
Der Schlaf wurde allerdings bald schon wieder jäh
unterbrochen als es Zeit war zu essen. Die lecker duftende Lamm- Tajine mit
Gemüsebröckchen und Pommes wurde zusammen mit einer Schale und einem Kännchen
zum Hände waschen und mit viel Weißbrot serviert. Für mich stellt es immer noch
eine enorme Herausforderung dar als Gast den größten Brocken Fleisches mit
besonders viel leckerem Fett zugeschoben zu bekommen. Das ist enorm
gastfreundlich und neben meinen schlechten Gewissen dass ich als ‚satte, reiche
Europäerin’ die nahrhaftesten Stücke bekomme beschäftigt mich dabei noch meine
natürliche (oder anerzogene?) Abneigung bzw. Skepsis gegenüber Fleisch. Der
Gedanke dass viele Menschen das essen- manche sogar sehr gerne- und es alle
überleben- zumindest meistens- lässt mich dann zusammen mit dem Wunsch meine
Gastgeber nicht vor den Kopf zu stoßen, tapfer zum Fleischfresser werden und
meine vegetarische Vergangenheit zumindest für drei Monate zurückstellen. Zum
Abschluss gibt es noch einen vollen Obstteller- mit Melone und Trauben bevor
wir uns über- fürs Laienauge unerkennbare- Wüstenstraßen auf den Weg zurück
begeben.
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