Dienstag, 29. Juli 2014

Zu Gast bei autonomen Biobauern


Solarpanels mit Sohn des Hauses

Direkt aus dem Auto bekommen wir eine Führung über den Bauernhof: es gibt eine kleine Ziegenherde, Hasen (ganz stolz wird betont dass es sich hierbei um eine Rasse aus den USA handelt- um eine REINE Rasse), ein paar Hühner die zu meiner innigsten Freude tatsächlich frei herumlaufen dürfen und sich guter Gesundheit zu erfreuen scheinen, ein trächtiges Pferd das in einem Stall steht welcher mich an die Raumbilder von de Chirico erinnert und einen kleinen Hund. Letzterer wird wohl zuliebe der Kinder gehalten, wobei das Verhältnis zu Tieren hier tatsächlich wohl noch ein anderes ist- zumindest besteht das Spiel mit dem Hund darin ihn anzulocken und dann mit kleinen Steinen zu bewerfen.

Pferdestall -nach Chririco?

 Zum ersten Mal (erstaunlicherweise kommt mir erst jetzt der Gedanke) frage ich mich, wie ich eigentlich auf die Idee kam im Ausland ein Praktikum in der Landwirtschaft zu machen und warum ich nicht einen Moment lang daran gedacht habe, dass meine Bilderbuch- Biobauernhof- Vorstellungen hier einfach fehl am Platz sind. Mir war bisher tatsächlich nie der Gedanke gekommen, dass ich in Gewissenskonflikte kommen könnte wenn ich hier arbeite, weil ich nicht daran gedacht habe dass die Arbeit die ich hier leisten soll meinen Grundsätzen zuwider strebt. Irreführend war vielleicht das Wort „Bio“ vor der Hühnerzucht die mich hier erwartet hat; denn auch die Vorstellungen von Bio gehen weit auseinander wie ich nun hautnah erleben darf. Aber zurück zu unserem Ausflug. Wir werden auf Feldern herumgeführt auf denen hauptsächlich die Luzerne wächst- die sich als ziemlich einzige Pflanze nährstoffreich und hitzeresistent wunderbar als Tierfutter eignet. Allerdings gießen sie hier mittags mit Gartensprinklern die Felder und wir lassen leise und vorsichtig anklingen ob nicht frühmorgens und spätabends die bessere Zeit wäre um zu gießen damit die Pflanzen nicht verbrennen. Unser Gastgeber nickt zustimmend, aber ich bin mir nicht ganz sicher ob wir ihn wirklich überzeugen konnten. An den Feldern mit dem typischen, recht bitteren Salat der hier gedeiht, roter Beete, Kartoffeln und Karotten geht es zu den sechs Solarpanels mit denen die Pumpe betrieben wird die das Wasser zur Bewässerung der Felder aus dem eigenen Brunnen hoch pumpt. Dieser Brunnen ist ein 15 Meter tiefes Loch, welches sich ohne Absperrung im Garten auftut- am Rande des Spielbereichs der Kinder. Ob der Wasserspiegel in den letzten zwei Jahren gesunken ist wollen sie uns nicht verraten. Anschließend wird uns stolz der wunderschöne, blühende kleine Privatgarten vorgeführt, der sich direkt vor den kleinen, verwinkelten Zimmern des Hauses befindet. Nun dürfen wir Platz nehmen in dem Raum für Frauen, der durch zwei Vorhänge von dem für Männer getrennt ist. Nach einiger Zeit fällt uns auf dass das anscheinend immer wieder als Schlachtraum für die Ziegen genutzt wird; die Haken hängen noch an der Decke. Um ein paar Fotos zu machen begebe ich noch einmal in die Mittagshitze und bekomme sofort zwei männliche Begleiter und Aufpasser zugesprochen; die Söhne des Gastgebers, die mit mir auf arabisch kommunizieren und mit denen ich auf französisch spreche. Aber die Verständigung klappt trotzdem einigermaßen. Zurück im Wohnzimmer der Frauen dürfen wir den drei Monate alten Sohn babysitten und singen ihn in den Schlaf nachdem der Kleine nach durchwachter Nacht völlig übermüdet sein dürfte. Das ist allerdings gar nicht so einfach bei den Fliegenschwärmen die es lieben sich auf duftende Menschenhaut zu setzen und so das Einschlafen erschweren.
Der Schlaf wurde allerdings bald schon wieder jäh unterbrochen als es Zeit war zu essen. Die lecker duftende Lamm- Tajine mit Gemüsebröckchen und Pommes wurde zusammen mit einer Schale und einem Kännchen zum Hände waschen und mit viel Weißbrot serviert. Für mich stellt es immer noch eine enorme Herausforderung dar als Gast den größten Brocken Fleisches mit besonders viel leckerem Fett zugeschoben zu bekommen. Das ist enorm gastfreundlich und neben meinen schlechten Gewissen dass ich als ‚satte, reiche Europäerin’ die nahrhaftesten Stücke bekomme beschäftigt mich dabei noch meine natürliche (oder anerzogene?) Abneigung bzw. Skepsis gegenüber Fleisch. Der Gedanke dass viele Menschen das essen- manche sogar sehr gerne- und es alle überleben- zumindest meistens- lässt mich dann zusammen mit dem Wunsch meine Gastgeber nicht vor den Kopf zu stoßen, tapfer zum Fleischfresser werden und meine vegetarische Vergangenheit zumindest für drei Monate zurückstellen. Zum Abschluss gibt es noch einen vollen Obstteller- mit Melone und Trauben bevor wir uns über- fürs Laienauge unerkennbare- Wüstenstraßen auf den Weg zurück begeben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Nur her damit: Kommentare, Fragen, eigene Erfahrungen sind willkommen