Dienstag, 16. September 2014

Ankunft in München

Nach drei Stunden nachts am Flughafen Barcelonas komme ich viel zu schnell am nächsten Morgen in Deutschland an. Über den schon weißen Bergen herrscht noch strahlender Sonnenschein, aber als Wir zur Landung ansetzen passieren wir eine dicke Wolkenschicht und Nebel heißt uns willkommen.
Durch München laufend kommt es mir vor als erwache ich gerade aus einem Traum- oder als befände ich mich in einem Traum? Zwei Welten die so verschieden sind, so kontrastreich und doch beide so real- Paralleluniversen. Die Straßen kommen mir sehr sauber- beinahe penibel gepflegt vor; ebenso wie die Menschen. Plötzlich fühle ich mich in meiner weiten Hose und dem Kapuzenpulli ziemlich underdressed, womit ich in Marokko absolut nicht aufgefallen war. Zum Glück scheint die Sonne und es ist hier der erste warme Tag seit langem sodass ich nicht friere und der Temperaturunterschied nicht zu krass ist. Am Viktualienmarkt angekommen muss ich daran denken, dass hier ja ständig im Gespräch ist, dass man ihn- ob der hygienischen Zustände- schließen sollte. Wenn ich vergleichsweise an die Märkte in Marokko denke muss ich lachen: Die offenen Lebensmittel dort werden regelmäßig von Spatzen und Nagetieren aufgesucht; am Fischmarkt werden die Fischkisten direkt am Boden gelagert; in der Mischung aus Fischinnereien, Abfällen und Meerwasser. Die Liste ist lang und damit der Kulturschock- der sich garantiert die nächsten Wochen einstellen wird nicht gleich zu Anfang einsetzt frühstücken wir eine Fischsemmel- auch sie schmeckt anders als in Essaouira, aber das Meer vorstellen kann man sich trotzdem.  

Montag, 15. September 2014

Anbruch des letzten Tages



















Ich sitze hier auf der Dachterasse vor meinem Zimmer an einem blauen Tisch. Heute ist es ruhiger als die letzten Tage, die Wellen umspülen die Stadtmauer von Essaouira, Fischkutter sind unterwegs- begleitet von Schwärmen von Möwen. Es ist acht Uhr morgens und die Stadt schläft noch- Es ist noch richtig kalt draußen und die Feuchtigkeit hat sich wie ein Film aus feinen Tropfen auf alles gelegt. Drei wundervolle Tage in Essaouira liegen hinter mir; ein paar Stunden hab ich noch bevor mich der Bus nach Marrakech bringt von wo aus mein Flieger startet: nach Barcelona und anschließend nach München- noch eine absurde Vorstellung in 24 Stunden wieder in vollkommen anderen Gefilden zu sein. Meine Klamotten riechen nach Feuchtigkeit und Meer und ich freue mich, den Großteil meiner Sachen hier Menschen zu schenken: meiner Vermieterin, einer einheimischen Mama überlasse ich meinen gemahlenen und gerösteten Weizen und den Couscous, was zu einer längeren Diskussion über die Zubereitungsmethoden und großer Freude führt. Die Tochter von Aicha bei der ich zweimal essen war (die beste Krabbenpfanne meines Lebens) bekommt die Armreifen die ich nie tragen werde. Meine Lieblingsbücher bekommen zwei deutsche Mädchen die hier Urlaub machen; die Reste des Essens und meine Klamotten hat Zeynabu in Oumifiss bekommen. Mein Koffer hat wieder ein tragbares Gewicht dass ich aber zum Teil sofort wieder mit Arganöl fülle. Bisher hatte jeder Tag hier einige Überraschungen bereitgehalten; ich bin gespannt was mich heute erwartet.

Samstag, 13. September 2014

Aufbruch

 Es ist noch stockdunkel, als morgens um 6:00 Uhr der Wecker klingelt. Mit meinem viel zu schweren Koffer (gestern kamen vier Kilogramm Gewicht durch die Geschenke dazu) machen wir usn auf den Weg nach Goulimime wo um 7:15 mein Bus fahren soll. Er ist nicht da- und wir setzen uns in ein Café gegenüber, trinken Milchkaffe marokkanischer Art in kleinen Gläsern und essen in Fett gebratene Crèpes mit Schmelzkäse und Honig. Um acht Uhr kommt der Bus schließlich und weitere dreißig Minuten später befinde ich mich endlich auf dem Weg nach Agadir. Vor ziemlich genau 9 Wochen bin ich denselben Weg mit einem Taxi gekommen; damals habe ich aber vor Müdigkeit nicht mehr viel mitbekommen. Nun sehe ich die Hügel, die Steinwüste, die kleinen Betriebe mit Olivenbäumen und die Geschäfte mit Arganölprodukten am Straßenrand. Zum Glück ist es ein Bus der Gesellschaft MCF (das größte und bekannteste Busunternehmen in Marokko, sodass es eine Klimaanlage und genügend Platz gibt und man keine Angst hat dass der Bus auseinanderfällt wenn Wind aufkommt. Eineinhalb Stunden später hält der Bus und alle steigen aus: es ist Zeit um zu frühstücken. Das habe ich schon und so warte ich, bis der Busfahrer und sämtliche Mitfahrer ihren Tee und ihre Crèpes verspeist haben und wir nach dreißig Minuten weiterfahren. Zwischendrin hält der Busfahrer plötzlich am Straßenrand und steigt aus. Ich frage mich was nun wohl passiert, aber er kauft nur einen Packen frischer Minze am Straßenrand und die Fahrt geht weiter. Hinter mir sitzt eine Mutter mit ihrem Säugling der fast durchgehend schreit und nach sechs Stunde Fahrt tut selbst im gemütlichsten Bus dann doch einiges weh. Daher bin ich sehr froh als wir die Mittagspause einlegen und sich der Busfahrer eine Tajine am Straßenrand gönnt. Gestärkt geht es weiter: die Straße schlängelt sich an der Küste entlang wo sich roter Stein und weißer Sand abwechseln und mischen. Teilweise sind kaum Menschen zu sehen und teilweise sind die Strände gut besucht. Immer wieder sieht man Menschen mit Pferden oder Kamelen am Strand entlang reiten und wenn wir an touristischen Stränden vorbeifahren drehen die Männer im Bus die ohne Frauen unterwegs sind ihre Köpfe nach den im Bikini spazierenden Frauen um. In Agadir sind zwei Touristinnen zugestiegen und ich verstehe in dem Moment warum Touristen wenn sie aus Ländern wie Marokko ´
heimkommen über unangemessene Blicke klagen trotzdem sie ‚normal’ angezogen waren. Selbst mir fällt es schwer den Blick abzuwenden von den zwei blonden Frauen die mit Top- sprich Ärmelfrei und mit Ausschnitt- den Bus betreten. Passenderweise sprechen sie feinstes Englisch mit Londoner Akzent, tragen Capis, kurze Hosen und beginnen im Bus ihre Brotzeit zu machen; mit Chips und Cola. Unter den verschleierten Frauen wirkt die Szene fast grotesk; als wir Mittagspause machen sind die zwei stark irritiert und wir kommen ist Gespräch. Sie erzählen dass sie eine Woche hier sind und am nächsten Tag wieder zurückfliegen, dass ihnen das Essen nicht schmeckt und dass sie- auch wenn es kulturell sehr interessant war wohl trotzdem nicht zurückkommen werden. Als wir uns in Essaouira angekommen ein Taxi in die Stadt teilen verlangt der Taxifahrer nicht wie vorher ausgemacht 30 Dirham sondern aus unerfindlichen Gründen 10 Dh mehr- für eine Strecke die nicht mal fünf Minuten dauerte. Solcherlei Erfahrungen- erzählen die zwei- haben sie wohl jedes Mal gemacht- ein Grund nicht zurückzukommen…

Ankunft in Essaouira



















In Essaouira angekommen bin ich erstmal beinahe überfordert mit so viel Schönheit. Das ändert sich aber schnell, als ich von Männern die mir ein Zimmer andrehen wollen regelrecht belagert werde. Mit Mühe und Not und viel Ignorieren werde ich den Großteil aber schnell wieder los und mache mich auf den kurzen Fußweg zu dem Hostel das ich vorab ausgesucht habe. Auf dem Weg dorthin spricht mich ein Mensch ausnahmsweise auf eine sehr angenehme Art an und ich beschließe mir das Zimmer das er mir für 100 Dirham pro Nacht anbietet anzusehen. Er führt mich in einen dunklen Hauseingang wo wir erst einmal drei steile Treppen erklimmen; oben angekommen braucht es allerdings nicht mehr viel Überzeugungskraft: Eine Dachterasse mit direktem Blick auf die Stadtmauer, Westen und das Meer sind die Belohnung für den Aufstieg; das Zimmer ist klein und heimelig mit einem großen Bett, Bad und Küche wird mit anderen Mitbewohnern geteilt. Insgesamt ist Platz für fünf Personen; die Wände sind weis getüncht, Fensterrahmen und Türen in bestechend schönem blau. Die helle Sonne dringt durch teilweise bunte Glasscheiben in den Flur und wie so oft in den Häusern hier kann man von ganz oben auf die anderen Stockwerke schauen: in dem Fall nur ein Stockwerk tiefer, wo unsere Vermieter wohnen die eine wunderschöne grüne Oase in dem Zwischenteil errichtet haben.
Ich lasse mich treiben- von der Haustür aus versuche ich noch mir zu merken wo ich wohne und folge dann einfach- meiner inneren Stimme? Die führt mich zuerst zum Hafen wo Fischer haufenweise ihre Waren direkt abgeladen weiterverkaufen. Offene, flache Schuhe sind eindeutig nicht die richtige Bekleidung- nach ein paar Metern habe ich Schmodder an den Füßen aber das Treiben hier ist zu faszinierend: Man scheint hier alles zu finden was die Unterwasserwelt zu bieten hat und zwischen Fischköpfen und entsorgten Innereien tummeln sich Katzen und Möwen. Nach einem Strandspaziergang bekomme ich Hunger und beschließe mich auf die Suche nach zubereitetem Fisch zu machen. Bei der kurzen Dusche daheim mache ich die Bekanntschaft zweier netter junger Frauen und nach zwanzig Minuten Unterhaltung auf englisch und der Vereinbarung zum gemeinsamen Abendessen stellen wir fest, dass wir alle drei deutsche sind.

Freitag, 12. September 2014

Abschied


Zum allerersten Mal seit ich hier bin gibt es für jeden einen Joghurt zum Nachtisch- noch nie hat Joghurt so gut geschmeckt. Sogar der künstliche Erdbeergeschmack ruft Entzückung hervor und kann die Freude nicht trüben. Abends möchte Mustapha mit uns noch einen Ausflug nach Goulimime machen, damit wir uns von Zeynabu verabschieden können. Eigentlich sollten wir um 19:00 Uhr losfahren, letztendlich ist es 21:30 bevor wir im Auto sitzen—die Männer des Hauses- Ayoub, Najib und Mustapha- haben sich heute herausgeputzt, mit Anzug, Parfüm, Gel in den Haaren. Als wir in der Stadt ankommen herrscht reges Treiben: tausende von Menschen sind auf den Straßen, Gerüche von Zuckerwatte mischen sich mit dem Duft nach gegrilltem Fleisch; Autos, Esel, Fahrrasfahrer, Fußgänger- alles wuselt durcheinander. Der Trubel ist größer als im Ramandan- Monat, in dem sich ebenfalls nachts Massen von Menschen auf den Straßen tummeln, die während des Tages vor der Sonne Schutz suchend in den Häusern ausharren. Die Stimmung in folksfestartig: Kinder mit Süßigkeiten sind überall unterwegs, Musik schallt und langsam taucht- unbemerkt vom ganzen Trubel- der Mond hinter den Hügeln auf. Nach mehrfachen Zwischenstopps und Plaudereinheiten Mustaphas kommen wir schließlich da an wo wir hinwollen: an den Zelten mit den Naturprodukten die verkauft werden. Drinnen gibt es lauter kleine Stände an denen meistens Frauen sitzen die ihre Produkte verkaufen bzw. ihre Organisationen vorstellen: es gibt viele Stände für Arganölprodukte, Honig der hauptsächlich aus den Blütenpollen von Kakteen hergestellt ist, in Handarbeit hergestellten Couscous, Olivenöl, Eier… Die Stimmung ist ausgelassen und friedfertig und an einem Stand entdecken wir schließlich Zeynabu, die für Mustapha die Ass. Aicha repräsentiert. Wir sind gekommen um uns zu verabschieden und Zeynabu hat sogar Abschiedsgeschenke für uns: eingepackt in schillerndes pinkes Paier findet jeder von uns einen blauen Schal. Dianes ist türkis, meiner ist in hellem blau. Die helle Farbe hat Zeynabu ausgewählt, weil sie mit den Frauen im Dorf der Meinung ist, dass ich sehr hell bin; Mustaphas Frau erzählt sogar überzeugt dass ich blond sei. Heller als viele andere hier bin ich zwar tatsächlich, der Kommentar zu meiner Haarfarbe bringt mich dann aber doch zum Lachen. Nicht so Zeynabu- ihr fällt der Abschied sehr schwer und sie möchte dass ich schnell gehe nachdem ich sie zum Abschied gedrückt habe. Nach einem kurzen Abschieden und weiteren Abschiedsgeschenken machen wir uns auf den Weg etwas Essbares zu suchen. Wir halten in einer kleinen Gasse vor einem kleinen Fischlokal. Uns erwartet eine riesige Fischplatte mit allen möglichen frittierten Meeresfrüchten, Brot und ein Dipp, Oliven und dazu ein Schälchen marokkanischer Salat: Tomaten, Paprika, Zwiebel, Essig, Öl… Es ist himmlisch lecker und ich frage mich warum wir das am letzten Abend machen; zwischendrin wäre das ein sehr motivierendes Erlebnis gewesen: eine gewaltige Abwechslung zu Tajine, Nudeln und Couscous. Nach einer halben Stunde verlassen wir das Lokal- glücklich und satt und fallen um 01:00 Uhr schließlich in unsere letzte traumvolle Nacht in Oumifiss.

Donnerstag, 11. September 2014




Schafe- ein neues Projekt

 
Plötzlich vergeht die Zeit ganz schnell- der letzte Tag in Oumifiss ist angebrochen und nach einem besuch im Hühnerstall und der täglichen Routine verkündet uns Mustapha stolz, dass er nun Schafe hat. Dreißig Stück hat er einem Schäfer in Goulimime abgekauft und er will seine Herde bis auf mindestens fünfzig Schafe vergrößern. Wir dürfen die Herde besichtigen und finden einen ca 25m² großen Stall vor, wobei der Ausdruck ‚Stall’ übertrieben ist, es handelt sich vielmehr um ein ummauertes Stück Erde. Noch scheint die Sonne erbarmungslos auf die Tiere herab- in den folgenden Wochen soll ein Netz gespannt werden, sodass genügend Schatten vorhanden ist. Sie sollen ebenfalls Luzerne verfüttert werden weil Mustapha meint dass es genügend gibt um davon achtzig Schafe zu ernähren- auf Nachfrage ob er die alle in dem Stall halten will lautet die Antwort „Aber natürlich! Hier passen auf Jeden Fall achtzig Schafe rein“ und auf die Frage ob er bei seiner Berechnung der Luzerne einberechnet hat, dass er seine Hühner (von denen er eigentlich mal 1000 auf engstem Raum halten wollte) ebenfalls damit ernähren möchte, schweigt er kurz und meint dann dass die überhaupt nicht viel Luzerne brauchen. Er erzählt das, gerade nachdem am Vorabend die Spezialisten für Hühner anwesend waren und verkündet haben, dass die Hühner unterernährt sind.


Ein Schäfer soll sich um die Schafe kümmern und darum, dass jeden Tag genügend Luzerne in den Stall kommt. Letzteres klingt in meinen Ohren sehr unrealistisch weil es bisher niemand geschafft hat, die Hühner auch nur annähernd täglich mit dem grünen Kraut zu versorgen, aber wer weiß, vielleicht ist es ein engagierter Schäfer der motiviert genug ist jeden Tag für dreißig Schafe Grünfutter mit der Sichel zu schneiden. Auf die Felder will Musapha sie nicht lassen, weil er Angst hat, dass sie Verwüstung anrichten könnten. ‚Mein’ Hund soll zum Hütehund erzogen werden- Mustapha hat versprochen sich zu kümmern dass er gut ernährt wird (er bekommt immer die toten Hühner und die Eier die nicht mehr verwendet werden können) und will ihm eine Anti- Parasiten- Kur verpassen. Ich hoffe dass das ein gutes Hundeleben wird, frage mich aber was er hüten soll wenn die Schafe in den vier Wänden eingesperrt sind (abgesehen von meinen Zweifeln was die versprochene gute Ernährung betrifft). Ich bin sehr froh diesen Ort zu verlassen- diese Art von Tierhaltung bei der es eigentlich an allem fehlt was zu artgerechter Tierhaltung zählt, was aber gleichzeitig als normal und legitim empfunden wird macht mich traurig und fassungslos. Natürlich herrschen hier andere Standards und Werte, aber ich merke dass mir das Wohl anderer Lebewesen so am Herzen liegt dass es mir immer schwerer fällt meinem Chef wertschätzend und offen zu begegnen. Es sollte nach keinen Standards als ausreichend gelten, Tiere in ein ummauertes Gebiet zu stellen und ihnen einmal am Tag vertrocknete Blätter des Johannesbrotbaumes und ein paar grüne Stängel zu servieren. Aber ethische Urteile bringen leider- ebenfalls wie Kommunikation nicht weiter- ich befürchte dass auch hier die Erfahrung von Nöten ist, dass erstmal die Hälfte des Bestandes stirbt bevor bemerkt wird, dass vielleicht doch irgendein Aspekt der Tierhaltung nicht zu erwünschtem Ergebnis der Vermehrung der Tiere führt.

Mittwoch, 10. September 2014

Überraschungen bzw. Hoffnung für die Hühner?

Die vermeintlich vollen Tage dieser Woche- voll von wichtiger Arbeit die uns erwartet versteht sich- sind doch nicht so arbeitsreich wie gedacht. Der Hühnerspezialist auf den wir warten seit ich mein Praktikum hier begonnen habe und der eigentlich eben in dieser, meiner letzten Woche auftauchen sollte ist verhindert. Er kann erst Ende Oktober kommen. Dennoch habe ich heute zum ersten Mal den Eindruck, dass etwas von der Katastrophe im Hühnerstall von der ich Mustapha ständig berichte tatsächlich zu ihm durchdringt. Nachdem gestern und heute insgesamt wieder mal fünfzehn Küken und junge Hühner verendet sind- aus Gründen die wir nach wie vor nicht kennen, bzw. nicht spezifizieren können und folglich auch nicht wirklich etwas unternehmen, ist er heute zum ersten Mal ziemlich verzweifelt. Er drückt mir das Telefon in die Hand und ich telefoniere wenigstens mit dem Spezialisten, der natürlich übers Telefon auch keine Diagnose dessen wagt, was die Ursache der krepierenden Tiere sein könnte. Er meint ich solle ein Huhn sezieren um zu sehen wie die inneren Organe aussehen und dann können wir noch mal telefonieren. Meine Freude darüber hält sich in Grenzen- ich habe so was bisher noch nicht gemacht- zuzusehen wie mein Bruder Fische ausnimmt oder Enten schlachtet war bisher das höchste der Gefühle. Nun denn, immerhin ist Mustapha jetzt tatsächlich bereit einiges zu ändern- wir kaufen endlich Atemschutzmasken und Handschuhe, Material um die Ställe richtig zu trennen, sodass infizierte Hühner nicht zu den anderen fliegen wenn ihnen der Sinn danach steht, und Desinfektionsmittel. Ich habe nicht den Eindruck für die Hühner etwas verändert zu haben, aber ich hoffe inständig, dass meine Präsenz wenigstens ein Anstoß ist gewisse Dinge zukünftig anders zu machen.

Es gibt doch noch Überraschungen: so kamen gestern kurzfristig zwei Menschen zur Beratung angereist; wie es dazu kam ist mir weiterhin schleierhaft aber dennoch ist es ein guter Abschluss gewesen, die Meinung der Fachkräfte zu diesem Hühnerstall zu hören. Das Fazit: die Grundimpfungen müssen dringend durchgeführt werden, ebenso wie die bessere Stallhygiene. Vor allem aber leiden alle Hühner an Vitamin- und Mineralstoffmangel; eine Tatsache, die Mustapha aus meinem Mund nicht hören wollte. Stolz hat er immer verkündet dass seine Hühner gut ernährt werden, vor allem wenn er anwesend ist und ab und an Gemüse aus der Stadt mitbringt. Dass Luzerne als Quelle von Vitaminen und Proteinen nicht reicht war mir zwar bewusst, dennoch konnte ich nie eine Lösung anbieten- woher die Nahrungsmittel nehmen, woher das Grün welches es hier einfach nicht gibt? Die Lösung sind nun fertig gemischte Zusätze die in Casablanca bestellt werden. Das ist wohl auch der Grund für die hohe Mortalitätsrate der Kücken und jungen Hühner, ebenso wie für die Anzahl toten Kücken in den Eiern die gar nicht erst schlüpfen weil sie nicht genügend Nährstoffe bekommen um sich zu entwickeln. Während ich erleichtert bin und froh bemerke ich dass Mustapha weniger begeistert ist ob der Tatsache, dass diese Zusätze aus Casablanca und Rabat bestellt werden müssen, was natürlich kostet. Da aber von den Kücken die geschlüpft sind hinterher ¾ verendet sind- um genau zu sein: von 1000 geschlüpften Kücken wurden 200 letztendlich verteilt (und die Kücken die in den Eiern gestorben sind, sind hierbei noch  nicht mit einberechnet)- denke ich dass Mustapha dennoch den Schritt machen wird etwas mehr auszugeben in der Hoffnung seinem Projekt damit auch zu mehr Erfolg zu verhelfen.  

Post- ein Packet kommt an

Am nächsten Morgen um acht Uhr ist die Luft angenehm kühl und weiße, weiche Wolken liegen vor den Bergen in der Ferne. Die Sonne scheint und wärmt mit ihren ersten Strahlen, Vögel zwitschern- sonst ist alles still. Ein erfrischendes Bad und ein paar Schwimmzüge im Wasserbasin im warmen Licht und dem Duft des Morgens sind der beste Start in den Tag. Später sind wir auf Tour in Goulimime um einiges einzukaufen und anschließend ein Packet von der Post abzuholen, auf dass ich schon seit geraumer Zeit- genauer gesagt drei Wochen- sehnsüchtig warte. Glücklicherweise ist es heute- genau 24 Stunden vor meiner Abreise angekommen und mit Ausweis und sonstigen Papieren machen wir uns auf den Weg zur Poststation an der alle Post für die Menschen in der Umgebung gesammelt wird, da es keinen Briefträger für die Dörfer gibt. Dort angekommen füllt der Beamte erst einmal zwanzig Minuten lang Zettel aus, bevor ich das Packet in Empfang nehmen darf. Aber schlussendlich- und darauf kommt es schließlich an- verlassen wir die Poststation mit einem Päckchen unterm Arm in dem unter Anderem der Lesestoff steckt den ich mir sehnlichst gewünscht hatte.

Montag, 8. September 2014


Ruhige Tage


Die Tage vergehen und das Klima ist inzwischen richtig angenehm. Es weht ein frischer Wind vom Meer, die Sonne scheint aber ab und an schieben sich ein paar Wolken davor und das Blau des Thermometers klettert nicht mehr über 36° Celsius. Die Situation im Hühnerstall bleibt unverändert- die Küken die das Licht der Welt erblicken werden allzu bald in einen dunklen Stall entlassen. Ansonsten passiert nicht viel die Tage. Alle Arbeiten die gemacht werden sollten stehen in der Warteschleife, weil das Material erst geliefert werden, und weil der Hühnerspezialist erst auftauchen muss von dem sich Mustapha erwartet, dass er alle Probleme löst die es momentan hier gibt. Er verspricht sich durch mehrfache Impfungen gesunde Hühner zu erhalten; ‚Bio’ bleibt trotzdem auf seinem Logo. Es bleiben noch wenige Tage hier in denen laut Plan noch einiges passieren sollte- ich bin gespannt.

 















Morgens, bevor der Tag richtig beginnt habe ich mir angewöhnt spazieren zu gehen. Auf dem kleinen Hügel neben dem Dorf. Von dort aus kann man weit sehen… Wüste, in der Ferne Berge, Himmel. Ein junger Hund begleitet mich begeistert Tag für Tag. Er kommt sofort wenn man nach ihm pfeift und wenn er nicht seine Spiel- Anfälle hat und einem ständig versucht in die Hosenbeine zu beißen läuft er entspannt mit oder jagt den kleinen Libellen hinterher die viel zu schnell für ihn sind. Im Dorf heißt er nur noch ‚Amrei’s Hund’ und keiner mehr wirft Steine nach ihm. Leider darf er nicht mehr zu Mustapha in den Innenhof, weil sein Lieblingsplatz im Schatten auf den jungen Ziehbäumen war, die sich von seinem Gewicht leider nicht mehr erholt haben. Abgesehen davon haben ihm die Hofkatzen den Kampf angesagt und den verliert er meist: gegen die schnellen und geschickten Angriffe hilft auch seine tollpatschige, gewinnende Art nicht. Aber er wartet dafür immer vor den Türen, unter den Autos- geschützt vor der Sonne und den Menschen. Sobald man in Erscheinung tritt wackelt er- nicht nur mit dem Schwanz sondern- vor Begeisterung mit dem ganzen Körper. Gestern hat Mustapha beim Abendessen schließlich verkündet dass es reicht; dass er sich des Hundes annimmt und Jemanden suchen wird der sich um ihn kümmert. Die toten Hühner aus dem Stall sind ihm schon mal sicher- wobei er ein stattliches Gewicht hat und auf jeden Fall nicht Hunger zu leiden scheint. So verbringt er die Tage in Gesellschaft der Menschen und die Nächte mit seinem zweiten Rudel dass aus vier weiteren wilden Hunden besteht die sich nachts teilweise Kämpfe mit anderen Rudeln wilder Hunde gönnen und dabei das halbe Dorf wach halten. Wobei Letzteres immer leerer wird und man Abends inzwischen oft den Eindruck hat sich ganz allein im Ort zu befinden. Viele Menschen die den Sommer hier verbracht haben, sind abgereist. Mit ihren Familien und ihren Autos mit fremden Kennzeichen. In Oumifiss selbst bleiben noch ungefähr fünfzig Menschen- und viele leere Häuser.