Perspektiven- Hochzeit- Trennung
Zeynabu hat mir ihre Geschichte erzählt: sie
hat geheiratet. Als sie jünger war. Aber die Schwiegermutter wollte sie nicht
und so wurde die Hochzeit aufgelöst. Und seither wohnt sie wieder mit ihren
Schwestern und Eltern in Oumifiss anstatt mit ihrem Mann in Agadir. Und die
Eltern machen es ihr nicht leicht. Freude und Licht kam in ihre Tage in letzter
Zeit, weil sie mit einem Mann telefonierte der evtl. um ihre Hand anhalten
würde. Vorgestern hat sie mir das erzählt- sie strahlte ob der Möglichkeit,
aber das darf alles keiner wissen. Nicht die Eltern- niemand weil es sonst
Ärger gibt. Aber heute musste sie weinen. Sehr. Eine starke Frau wie Zeynabu
weinen sehen ist irgendwie erschütternd. Sie ist lebensfroh und jung und schön
und sie weint weil sie nichts ändern kann und ihre Hoffnung zerplatzt ist: auf
ein anderes Leben. Auf ein Leben außerhalb der Reichweite der Fittiche der
Eltern und außerhalb des dreißig- Seelen- Dorfes wo der Alltag aus Brotbacken,
Haushalt und Hühnern besteht. Der Mann wollte sich nur alleine mit ihr treffen
und wollte nicht dass ihre Schwester mitkommt. Das geht aber hier nicht. Und das
war schon das Ende vom Anfang- welch traurige Geschichte. Also warten weiterhin
Hühner und Haushalt auf sie- jeden Tag. Und die Zeit vergeht so schnell bis man
dreißig ist und nicht mehr heiraten wird. Bis die Geschichte geschrieben ist
und die Zukunft feststeht. In einem Land in dem ca. 70% der Bevölkerung unter
20 Jahre alt sind.
Sie möchte dass ich wiederkomme. So bald wie
möglich. Sie meint sie braucht mich hier, und ich kann verstehen was sie meint;
Unterstützung, Gemeinsamkeit, Menschen denen man vertraut, mit denen man redet-
und kann sie doch nicht trösten. Das Angebot in Deutschland mein Gast zu sein
kommt meinerseits von Herzen aber ich weiß ebenso wie Zeynabuh, dass es
illusorisch ist- die Frauen die ich hier im Dorf kennengelernt habe und die
nicht nur ihre Ferien hier verbringen, haben nichts gesehen von der Welt
abgesehen von einem Umkreis von ca 50 Km, vllt manchmal noch Agadir. Da es an
Büchern, Schulbildung und PCs sowie Internet fehlt bleibt das für die Frauen
auch so- die Männer scheinen mir freier zu sein- zumindest haben die meisten
Internetzugang übers Handy und waren schon mal an verschiedenen Orten innerhalb
Marokkos. Ob es dadurch einfacher ist, ist die Frage- Achmed scheint sich mit
dem Leben hier jedenfalls schwer zu tun. Das kann man zwar bei Zeyabu auch behaupten
aber sie schafft es- im Gegensatz zu ihm- sich für die alltäglichen Arbeiten zu
motivieren und zu engagieren.
Wie dem auch sei- ich gebe ihr meine deutsche
Handynummer und sie mir ihre. Ich frage mich zwar wie wir uns telefonisch
verständigen sollen nachdem wir so mit Händen, Füßen, Stift und Papier
kommunizieren, aber vielleicht ist es einfach ein Fünkchen Hoffnung im Kästchen
mit den wenigen Schätzen- dieser Zettel mit einem Namen und einer
Telefonnummer.
Mustapha fragt mich, was meine Eltern machen.
Nachdem er mich fragt wie man meinen Namen schreibt, nachdem ich zwei Monate
hier bin und wir schon knapp fünf Monate Mailkontakt haben. Es gibt doch immer
wieder Überraschungen. Als ich ihm jedenfalls von meinen Eltern erzähle und ihm
sage dass meine Mutter Sozialarbeiterin ist will er mehr darüber wissen. Ich
erkläre ihm, dass sie mit Familien arbeitet die Schwierigkeiten haben. Das
scheint ihm einzuleuchten und er erzählt seinerseits, ja, auch hier in Marokko
gibt es immer mehr familiäre Probleme und spezielle Einrichtungen die jetzt
anfangen sich um diese Menschen zu kümmern. Scheidung und Trennungen sind ein
riesiges Problem; es sei gefährlich für die Gesellschaft im Allgemeinen und die
Kinder in solchen Familien würden oft psychisch krank deshalb. Jedenfalls gibt
es viel Arbeit in dem Gebiet- generell der Wertverlust unter den Jugendlichen
ist besorgniserregend. Ich werfe ein dass sich die Zeiten und die Werte
tatsächlich ändern und stimme ihm zu dass das wohl ein globales Phänomen ist,
füge dann aber trotzdem an, dass meine Mutter eigentlich weniger mit solchen
Fällen arbeitet als mit Familien mit Migrationshintergrund und Schwierigkeiten
oder einem Elternteil der geistig behindert ist oder Ähnliches. Jedenfalls mit
Familien die sich schwer tun den Anforderungen des alltäglichen Lebens zu
begegnen, dass aber Scheidung und Trennung bei uns schon fast normal ist und
daher meist keine gravierenden gesellschaftlichen Konsequenzen nach sich zieht.
Er bezweifelt das scheint das Thema aber lieber fallen zu lassen nachdem ich
erzähle dass meine Eltern auch geschieden sind. Wahrscheinlich habe ich jetzt
den Status des Problemkindes bzw. der jungen Frau mit schwieriger Kindheit; ich wuerde zu gerne wissen ob eventuelle Konflikte wohl in Zukunft darauf zurueckgefuehrt werden?
ich wuerde zu gerne wissen ob eventuelle Konflikte wohl in Zukunft darauf zurueckgefuehrt werden? das wirst du sicher in der zukunft rausfinden, aber das sollte dich jetzt noch nicht quälen.
AntwortenLöschenwas macht man mit menschen, die nicht an ihre zukunft glauben weil sie ihr nicht entfliehen können? ihnen eine zukunft geben?