Montag, 1. September 2014

 Perspektiven- Hochzeit- Trennung

Zeynabu hat mir ihre Geschichte erzählt: sie hat geheiratet. Als sie jünger war. Aber die Schwiegermutter wollte sie nicht und so wurde die Hochzeit aufgelöst. Und seither wohnt sie wieder mit ihren Schwestern und Eltern in Oumifiss anstatt mit ihrem Mann in Agadir. Und die Eltern machen es ihr nicht leicht. Freude und Licht kam in ihre Tage in letzter Zeit, weil sie mit einem Mann telefonierte der evtl. um ihre Hand anhalten würde. Vorgestern hat sie mir das erzählt- sie strahlte ob der Möglichkeit, aber das darf alles keiner wissen. Nicht die Eltern- niemand weil es sonst Ärger gibt. Aber heute musste sie weinen. Sehr. Eine starke Frau wie Zeynabu weinen sehen ist irgendwie erschütternd. Sie ist lebensfroh und jung und schön und sie weint weil sie nichts ändern kann und ihre Hoffnung zerplatzt ist: auf ein anderes Leben. Auf ein Leben außerhalb der Reichweite der Fittiche der Eltern und außerhalb des dreißig- Seelen- Dorfes wo der Alltag aus Brotbacken, Haushalt und Hühnern besteht. Der Mann wollte sich nur alleine mit ihr treffen und wollte nicht dass ihre Schwester mitkommt. Das geht aber hier nicht. Und das war schon das Ende vom Anfang- welch traurige Geschichte. Also warten weiterhin Hühner und Haushalt auf sie- jeden Tag. Und die Zeit vergeht so schnell bis man dreißig ist und nicht mehr heiraten wird. Bis die Geschichte geschrieben ist und die Zukunft feststeht. In einem Land in dem ca. 70% der Bevölkerung unter 20 Jahre alt sind.
Sie möchte dass ich wiederkomme. So bald wie möglich. Sie meint sie braucht mich hier, und ich kann verstehen was sie meint; Unterstützung, Gemeinsamkeit, Menschen denen man vertraut, mit denen man redet- und kann sie doch nicht trösten. Das Angebot in Deutschland mein Gast zu sein kommt meinerseits von Herzen aber ich weiß ebenso wie Zeynabuh, dass es illusorisch ist- die Frauen die ich hier im Dorf kennengelernt habe und die nicht nur ihre Ferien hier verbringen, haben nichts gesehen von der Welt abgesehen von einem Umkreis von ca 50 Km, vllt manchmal noch Agadir. Da es an Büchern, Schulbildung und PCs sowie Internet fehlt bleibt das für die Frauen auch so- die Männer scheinen mir freier zu sein- zumindest haben die meisten Internetzugang übers Handy und waren schon mal an verschiedenen Orten innerhalb Marokkos. Ob es dadurch einfacher ist, ist die Frage- Achmed scheint sich mit dem Leben hier jedenfalls schwer zu tun. Das kann man zwar bei Zeyabu auch behaupten aber sie schafft es- im Gegensatz zu ihm- sich für die alltäglichen Arbeiten zu motivieren und zu engagieren.
Wie dem auch sei- ich gebe ihr meine deutsche Handynummer und sie mir ihre. Ich frage mich zwar wie wir uns telefonisch verständigen sollen nachdem wir so mit Händen, Füßen, Stift und Papier kommunizieren, aber vielleicht ist es einfach ein Fünkchen Hoffnung im Kästchen mit den wenigen Schätzen- dieser Zettel mit einem Namen und einer Telefonnummer. 


Mustapha fragt mich, was meine Eltern machen. Nachdem er mich fragt wie man meinen Namen schreibt, nachdem ich zwei Monate hier bin und wir schon knapp fünf Monate Mailkontakt haben. Es gibt doch immer wieder Überraschungen. Als ich ihm jedenfalls von meinen Eltern erzähle und ihm sage dass meine Mutter Sozialarbeiterin ist will er mehr darüber wissen. Ich erkläre ihm, dass sie mit Familien arbeitet die Schwierigkeiten haben. Das scheint ihm einzuleuchten und er erzählt seinerseits, ja, auch hier in Marokko gibt es immer mehr familiäre Probleme und spezielle Einrichtungen die jetzt anfangen sich um diese Menschen zu kümmern. Scheidung und Trennungen sind ein riesiges Problem; es sei gefährlich für die Gesellschaft im Allgemeinen und die Kinder in solchen Familien würden oft psychisch krank deshalb. Jedenfalls gibt es viel Arbeit in dem Gebiet- generell der Wertverlust unter den Jugendlichen ist besorgniserregend. Ich werfe ein dass sich die Zeiten und die Werte tatsächlich ändern und stimme ihm zu dass das wohl ein globales Phänomen ist, füge dann aber trotzdem an, dass meine Mutter eigentlich weniger mit solchen Fällen arbeitet als mit Familien mit Migrationshintergrund und Schwierigkeiten oder einem Elternteil der geistig behindert ist oder Ähnliches. Jedenfalls mit Familien die sich schwer tun den Anforderungen des alltäglichen Lebens zu begegnen, dass aber Scheidung und Trennung bei uns schon fast normal ist und daher meist keine gravierenden gesellschaftlichen Konsequenzen nach sich zieht. Er bezweifelt das scheint das Thema aber lieber fallen zu lassen nachdem ich erzähle dass meine Eltern auch geschieden sind. Wahrscheinlich habe ich jetzt den Status des Problemkindes bzw. der jungen Frau mit schwieriger Kindheit; ich wuerde zu gerne wissen ob eventuelle Konflikte wohl in Zukunft darauf zurueckgefuehrt werden?
 

1 Kommentar:

  1. ich wuerde zu gerne wissen ob eventuelle Konflikte wohl in Zukunft darauf zurueckgefuehrt werden? das wirst du sicher in der zukunft rausfinden, aber das sollte dich jetzt noch nicht quälen.
    was macht man mit menschen, die nicht an ihre zukunft glauben weil sie ihr nicht entfliehen können? ihnen eine zukunft geben?

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