Verteilen von Huehnern
Abends fahren wir los um fünfzig Kücken an
eine Familie abzugeben. Das ist das Projekt worum es geht: die Verteilung der
Hühner an die verschiedenen Familien in der Region: eben auch sogenannte
‚Problemfälle’ zum Beispiel geschiedene Frauen, Familien mit wenig Geld und
vielen Kindern etc. Wobei ich anfügen muss, dass es hier für eine Frau etwas
anderes bedeutet alleinerziehend oder geschieden zu sein als bei uns, da man
hier im Süden des Landes tatsächlich noch wesentlich mehr gesellschaftlich
konstruierten Einschränkungen unterworfen ist. Viele Menschen hier sprechen
auch diesbezüglich sehr abwertend über den Norden des Landes; wenn eine
Scheidung hier in der Gegend von Statten geht ist die erste Frage ob einer der
beiden aus dem Norden kommt und wenn die Antwort Ja lautet, dann fühlt man sich
bestätigt. Bestätigt darin, dass die Menschen im Norden unzuverlässig und
unehrlich sind, keine Werte haben und ihre Frauen schlagen; hier hingegen die
Frau wertgeschätzt wird und sich das Leben in den richtigen Bahnen bewegt.
Die fünfzig Hühner jedenfalls kommen zu einer
intakten Familie dessen Vater einfach ein guter Freund von Mustapha ist und wir
werden nach dem Ausladen mit einem großzügigen Mahl erwartet: da es sich ‚nur’
um eine Zwischenmahlzeit handelt gibt es Brot mit Öl, Butter und Honig (das ist
das normale Frühstück oder der Snack zwischendurch), Rohmilch, Instant- Kaffee
mit heißer Milch, Grüntee, Kaktusfrüchte und Feigen. Drei Stunden später in
denen viele Photos gemacht wurden und viel geredet wurde (was kann ich leider
nicht sagen) machen wir uns auf den Rückweg, passieren Kakteen, Steine,
einzelne Palmen. Als wir durch ein hügeliges Gebiet fahren erzählt Mustapha,
dass auch das ehemals ein Dorf war, von dem nur die Lehmhügel geblieben sind
nachdem im 18. Jahrhundert alle Spuren menschlichen Lebens inklusive der
Bewohner mit einer großen Flut davon gespült wurden. Heute kommen immer wieder
Archäologen und graben, suchen und finde Relikte aus dieser vergessenen Zeit,
aus der es keine Überlieferungen gibt weil es keine Überlebenden gab. Stück für
Stück gibt die Erde Schätze frei die von einer Zeit erzählen als das Leben hier
noch sehr anders aussah und es regnete- so sehr dass ganze Dörfer verschwanden.
Ich bin zu Gast- zu Gast bei einer Familie des
Dorfes. Alle stellen sich mir mit Namen vor- die Hälfte habe ich leider
vergessen nachdem sie ausgesprochen wurden- sie klingen so fremd in meinen
Ohren. Der Großvater der Familie ‚kann deutsch’, weil er vor dreißig Jahren mal
in Deutschland gelebt hat. Aber wie die Angaben zu seinem Alter (er sagt er sei
achzig, sein Sohn sagt er sei hundert und Mustapha erzählt er sei hundertzehn
Jahre alt) so gehen auch die Angaben zu der Dauer und zu dem Zeitpunkt seines
in Deutschland auseinander. Neben der Problem der Schwerhörigkeit seinerseits
stellt es sich als äußerst difficile heraus ein Gespräch zu führen. Er fragt
mich immer wieder wie ich heiße und woher ich komme, scheint aber weder meine
Antworten noch meine Fragen zu verstehen und die Situation wird eher schwieriger
da alle drum herum von mir wissen wollen über was wir reden und was er erzählt.
Nach einer Weile verliert der Großteil das Interesse an dem Spektakel in voller
Lautstärke bei dem doch nichts herauskommt und nach dem Essen zieht sich jeder
zurück. Ein zwanzig-jähriger Sohn des Hauses der mit seiner Mutter aus Paris zu
Besuch ist möchte ohne Unterlass mit mir reden. Schließlich kommt er auf das
Thema Treue zu sprechen und nachdem ich ihm meinen Standpunkt erklärt habe
möchte ich seinen auch wissen. Zuerst ziert er sich aber schließlich meint er,
da ich eine Europäerin bin spricht er mit mir darüber obwohl ich eine Frau bin.
Mit Frauen spricht man darüber eigentlich nicht. Er erzählt mir, dass
Fremdgehen für ihn sehr wichtig ist, dass es quasi die notwendige Pause ist in
einer Beziehung. Männer hätten andere Bedürfnisse als Frauen und er brauche die
körperliche Abwechslung. Das ändere auch nichts in der Beziehung zu der Frau
die er liebe. Wenn allerdings die Frau fremdgehe dann sei das absolut etwas
anderes. Das könne man nicht verzeihen und dann sei es absolut aus und vorbei,
man könne sich dann als Mann ja gar nicht auf die Frau verlassen und mit der
Ehre des Mannes ginge das sowieso nicht. Interessante Perspektive- ich bin
wieder mal so froh in einem anderen kulturellen Kontext groß geworden zu sein.
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