Fahrrad fahren
Heute hat der Wind gedreht. Man merkt es einerseits daran dass es plötzlich
viel heißer ist als die letzten Tage; vor allem aber weil es von Fliegen
nur so wimmelt. Überall sind Fliegen. Sie stören den Schlaf, sie kitzeln beim
Arbeiten und vor allem beim Essen muss man aufpassen dass man sie nicht aus
Versehen mit verspeist. Wir haben Glück, Mustapha hat heute voller Freude
erklärt, dass er uns ein Fahrrad besorgt hat- ein Fahrrad mit dem wir im Dorf
ein bisschen fahren dürfen. Weiter sollen wir uns nicht entfernen, weil es
gefährlich ist. Als ich nachfrage warum, meint er dass die wilden Hunde der
Grund seien. Er erklärt mir, dass sie sich in Rudeln zusammenfinden und dann
zum Teil Menschen angreifen. Ich bin mir nicht sicher wie ernst ich das nehmen
kann und sollte; vor allem weil man auf den Straßen immer wieder Menschen auf
Fahrrädern begegnet, ebenso wie Hunden die vor allem Angst haben, aber ich begnüge mich aus Respekt vor Mustapha mit kleinen
Touren. Alles andere wäre mir mit dem Fahrrad auch zu riskant bei dem man nie sicher ist wie viele Tritte in die Pedale es einen noch trägt.
Sozialstruktur
Erst einmal machen wir uns aber auf den Weg nach Guelmim um
dort einige Erledigen vorzunehmen und Diane abzuholen, die mittags aus Paris
wieder hier landet. Nach zwei Straßenecken sammeln wir zwei Frauen mit ihren
drei Kindern ein die auf den Bus warten, der dreimal am Tag vorbeikommt. Mustapha
erzählt mir, dass es in Marokko keine
Schulpflicht mehr gibt, was dazu führt, dass immer mehr Kinder und folglich
auch Erwachsene Analphabeten sind und eben auch kein Französisch lernen. Ebenso
groß ist das Problem der Armut; viele Familien leben von weniger als fünf Euro
am Tag; 50% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Nahrungsmittel sind
hier so günstig, dass Familien auch wenn sie kein Geld haben eigentlich nie
Hunger leiden müssen. Dennoch fehlt es für alles Andere: Bildung (das hat eben
Auswirkungen darauf ob Kinder zur Schule gehen oder nicht), Kleidung, Medikamente.
Vor allem Letzteres ist ein enormes Problem weil es bisher nur für Beamte ein
Sozialsystem gibt. Es fehlt an Ärzten, es fehlt an Medikamenten, es fehlt an
Krankenhäusern. Die meisten gebildeten Menschen verlassen das Land und werden
mit Freude von Ländern wie Frankreich, Holland und Kanada willkommen geheißen. Mehr
als die Hälfte der Ärzte mit marokkanischer Staatsbürgerschaft arbeiten im
Ausland.10% der Bevölkerung haben genug Geld um in Marokko zu leben; sie bilden
quasi die Oberschicht. 20% der Menschen haben genug zu Essen, sie können sich angemessen
kleiden und ihre Kinder zur Schule schicken. Für 70% der Bevölkerung ist das
nicht möglich.
Straßen von Guelmim
Wie um das Bild zu untermalen fragt uns an einer Ampel in
Guelmim ein Mann ob wir etwas Geld für ihn hätten und wir schicken ihn mit fünf
Dirham (~50 cent) weiter und fahren durch die Straßen dieser Stadt, die ich
nicht auseinanderhalten kann und innerhalb von kürzester Zeit die Orientierung
verliere: Alle Häuser haben dieselbe Farbe- Mustapha erklärt dass das
gesetzlich vorgeschrieben ist- überall ist es Flach und Geschäfte reihen sich,
in Form von offenen Garagen aneinander. Wir passieren eine Metzgerei in der
große tote Tiere von der Decke hängen und halten vor einer schmalen Treppe die
zu einer Zahnarztpraxis hinaufführt. Sarah- Mustaphas Tochter hat Zahnschmerzen
und eigentlich einen Termin um 10:30 Uhr. Da der Zahnarzt aber gleichzeitig
Besitzer eines Theaters ist und jeden Abend lange beschäftigt, beginnt er mit
seiner Arbeit wenn er ausgeschlafen hat. Heute voraussichtlich um11:00 Uhr. Wir
begeben uns wieder in das Gewimmel der Straßen mit den roten Häusern,
verschleierten Frauen, Eseln die Karren ziehen, Fahrrädern, Taxis und entspannten
Marokkanern die ihren süßen Tee genießen und das Treiben beobachten.
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