Dienstag, 5. August 2014

Fahrrad fahren

Heute hat der Wind gedreht. Man merkt es einerseits daran dass es plötzlich viel heißer ist als die letzten Tage; vor allem aber weil es von Fliegen nur so wimmelt. Überall sind Fliegen. Sie stören den Schlaf, sie kitzeln beim Arbeiten und vor allem beim Essen muss man aufpassen dass man sie nicht aus Versehen mit verspeist. Wir haben Glück, Mustapha hat heute voller Freude erklärt, dass er uns ein Fahrrad besorgt hat- ein Fahrrad mit dem wir im Dorf ein bisschen fahren dürfen. Weiter sollen wir uns nicht entfernen, weil es gefährlich ist. Als ich nachfrage warum, meint er dass die wilden Hunde der Grund seien. Er erklärt mir, dass sie sich in Rudeln zusammenfinden und dann zum Teil Menschen angreifen. Ich bin mir nicht sicher wie ernst ich das nehmen kann und sollte; vor allem weil man auf den Straßen immer wieder Menschen auf Fahrrädern begegnet, ebenso wie Hunden die vor allem Angst haben, aber ich begnüge mich aus Respekt vor Mustapha mit kleinen Touren. Alles andere wäre mir mit dem Fahrrad auch zu riskant  bei dem man nie sicher ist wie viele Tritte in die Pedale es einen noch trägt.

Sozialstruktur

Erst einmal machen wir uns aber auf den Weg nach Guelmim um dort einige Erledigen vorzunehmen und Diane abzuholen, die mittags aus Paris wieder hier landet. Nach zwei Straßenecken sammeln wir zwei Frauen mit ihren drei Kindern ein die auf den Bus warten, der dreimal am Tag vorbeikommt. Mustapha erzählt mir,  dass es in Marokko keine Schulpflicht mehr gibt, was dazu führt, dass immer mehr Kinder und folglich auch Erwachsene Analphabeten sind und eben auch kein Französisch lernen. Ebenso groß ist das Problem der Armut; viele Familien leben von weniger als fünf Euro am Tag; 50% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Nahrungsmittel sind hier so günstig, dass Familien auch wenn sie kein Geld haben eigentlich nie Hunger leiden müssen. Dennoch fehlt es für alles Andere: Bildung (das hat eben Auswirkungen darauf ob Kinder zur Schule gehen oder nicht), Kleidung, Medikamente. Vor allem Letzteres ist ein enormes Problem weil es bisher nur für Beamte ein Sozialsystem gibt. Es fehlt an Ärzten, es fehlt an Medikamenten, es fehlt an Krankenhäusern. Die meisten gebildeten Menschen verlassen das Land und werden mit Freude von Ländern wie Frankreich, Holland und Kanada willkommen geheißen. Mehr als die Hälfte der Ärzte mit marokkanischer Staatsbürgerschaft arbeiten im Ausland.10% der Bevölkerung haben genug Geld um in Marokko zu leben; sie bilden quasi die Oberschicht. 20% der Menschen haben genug zu Essen, sie können sich angemessen kleiden und ihre Kinder zur Schule schicken. Für 70% der Bevölkerung ist das nicht möglich. 

Straßen von Guelmim

Wie um das Bild zu untermalen fragt uns an einer Ampel in Guelmim ein Mann ob wir etwas Geld für ihn hätten und wir schicken ihn mit fünf Dirham (~50 cent) weiter und fahren durch die Straßen dieser Stadt, die ich nicht auseinanderhalten kann und innerhalb von kürzester Zeit die Orientierung verliere: Alle Häuser haben dieselbe Farbe- Mustapha erklärt dass das gesetzlich vorgeschrieben ist- überall ist es Flach und Geschäfte reihen sich, in Form von offenen Garagen aneinander. Wir passieren eine Metzgerei in der große tote Tiere von der Decke hängen und halten vor einer schmalen Treppe die zu einer Zahnarztpraxis hinaufführt. Sarah- Mustaphas Tochter hat Zahnschmerzen und eigentlich einen Termin um 10:30 Uhr. Da der Zahnarzt aber gleichzeitig Besitzer eines Theaters ist und jeden Abend lange beschäftigt, beginnt er mit seiner Arbeit wenn er ausgeschlafen hat. Heute voraussichtlich um11:00 Uhr. Wir begeben uns wieder in das Gewimmel der Straßen mit den roten Häusern, verschleierten Frauen, Eseln die Karren ziehen, Fahrrädern, Taxis und entspannten Marokkanern die ihren süßen Tee genießen und das Treiben beobachten.

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