Meine Tage
Ich lerne- ich lerne unter Anderem mein Handy ständig bei mir zu tragen. Wovor ich mich in heimatlichen Gefilden immer gedrückt habe ist eingetreten. Das liegt daran, dass Mustafa tatsächlich jedes Mal einen riesigen Schreck bekommt wenn Jemand nicht ans Telefon geht; generell stößt ein lockerer Umgang mit diesem Medium auf enormes Unverständnis. Im Hühnerstall hatte ich es bisher nicht dabei; da das aber zu einem kleinen Aufstand geführt hat, beschloss ich es heute mitzunehmen. Jetzt hat sich das Problem gelöst, denn es ist mir in den ersten zwei Minuten in den Wassereimer gefallen und funktioniert nicht mehr. Momentan trocknet es in der Sonne- und ich bin unerreichbar.
Eine der vielen Katzen hier ist ziemlich krank. Mustapha hat
mir erklärt, dass das daher kommt, dass die Katzen hier jagen weil sie nicht
wirklich gefüttert werden. Allerdings gibt es auch nicht wirklich viel zu jagen
und so fressen sie was es gibt: Schlangen. Wenn sie Pech haben verdrücken sie
aber das Gift mit oder werden im Kampf gebissen woran sie in der Folge- je nach
Menge des Giftes- sterben. Davor leider sie aber noch eine Weile. Genauso wie
kranke Hühner die hier weder besonders gepflegt werden noch geschlachtet. Wobei
das vielleicht ein Glück ist, da meine Anregung diesbezüglich letztes Mal zu
einem Blutbad mit stumpfem Messer geführt hat.
Hühner
Meine Tage vergehen- jeden Morgen um 8:00 Uhr beginne ich meinen Tag im
Hühnerstall: Wasser wird gewechselt, es wird gefüttert, die Brutkästen
kontrolliert und die Küken versorgt. Je nachdem steht manches Mal noch das
Putzen der Brutkästen, der Ultraschall der Eier die ausgebrütet werden oder
andere Sonderaufgaben auf dem Plan. Jeden Abend um 18:00 dieselben Aufgaben,
wobei wir danach meist auf die Felder gehen um mit der Sichel frische Kräuter
zu schneiden- damit die Hühner ein bisschen Vitamine bekommen. Seit einiger
Zeit herrscht im Hühnerstall das große Problem der Parasiten, bzw. des
Flohbefalls. Trotz medikamentöser Bekämpfung ließ sich das bisher nicht lösen,
da man den Stall so wie er konzipiert ist unmöglich Grundreinigen kann und der
Boden ein optimaler Überlebensfloh der Schmarotzer ist. Das fällt vor allem
deshalb unangenehm auf, da man jedes mal nach Verlassen des Hühnerstalls
feststellen muss dass man selbst die Parasiten auch spazieren trägt. Auch wenn
sie für Menschen grundsätzlich keine Wirte sind so krabbelt es dennoch recht
unangenehm. Außerdem sehen die Hühner dadurch extrem zerrupft und ungesund aus.
Eine Lösung müsste her- aber in diesem Fall bedeutet das- sagt zumindest
Mustafa- dass man den Stall betoniert. Das ist zwar ziemlich teuer aber aus
hygienischen Gründen nahezu unerlässlich bei der Anzahl an Hühnern die Mustapha
hat (ca. 200) und vor allem haben will (~1000). Das ist- neben einem Handbuch
über Hühnerzucht angepasst an die hiesigen Verhältnisse (was meine Aufgabe
ist)- das nächste große Projekt.
Bepflanzung
Neben den Arbeiten im Hühnerstall und den theoretischen Recherchen zu
Hühnerzucht, bzw. dem Schreiben am Handbuch, was für mich auch noch alles neue
Materie ist, sind die täglichen Themen, neben Öffentlichkeitsarbeit und
Kontaktpflege für die Association (was hier ziemlich viel Raum einnimmt) mit
Beforstung bzw. Bepflanzung der Gegend, Bewässerung und dem Etablieren von
Solarenergie hier im Dorf geprägt. Konkret ist für uns da aber momentan wenig
zu machen: Die Bäume werden von uns mit Magnesium- und Zinkpulver versorgt, da
hier ein enormer Mineralmangel herrscht und sonst warten wir auf Bewilligung
von Geldern um weitere Bäume pflanzen zu können. Noch werden die Bäume
größtenteils mit dem traditionellem System bewässert, d.h. es werden
unglaubliche Mengen Wasser durch die anlagen geleitet und durch künstlich
gebaute Dämme entstehen so kleine Flussläufe die morgens Wasser führen. Das ist
allerdings unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten relativ
katastrophal, da viel Wasser an Stellen versickert wo es nicht gebraucht wird
und die Verdunstung unglaublich groß ist. Bei neuen Projekten wird daher ‚goût-
à- goût’ etabliert. Ein System bei dem Leitungen verlegt werden und jede
Pflanze einzeln bewässert wird. Zum Glück hat Marokko einen unglaublich großen
unterirdischen Wasserspeicher der schon seit Jahren die Bevölkerung speist und
der Grund ist, warum noch nicht alles Leben hier verschwunden ist. Denn es
regnet seit den letzten zehn Jahren durchschnittlich zweimal im Jahr. Die Bäume
die Mustapha pflanzt sind hauptsächlich Johannesbrotbaum, Granatapfelbaum und
Kakteen. Alle drei haben auch sehr schmackhafte Früchte; momentan wird
ausgetestet wie gut Quitte, Zitrone und Apfel hier gedeiht- mit einigem Erfolg,
wenn man vom Mineralmangel absieht der die Blätter welk wirken, und die Früchte
klein ausfallen lässt.
Müll
Als ich mich in der ersten Woche zweimal heimlich
frühmorgens aufmache um verbotenerweise allein einen kurzen Spaziergang zu
machen wird mir, durch die Schluchten die mit Müll gefüllt sind, bewusst wie
groß das Müllproblem hier sein muss. Ich beschließe mit Mustapha darüber zu
reden ob wir nicht diesbezüglich initiativ werden können, vor allem weil sich
Oumifiss darauf beworben hat ein Positivbeispiel von Dorf zu werden. Er erklärt
mir, dass sich das 2016 alles lösen wird, dass dann Mülltonnen ins Dorf
gebracht werden und der Müll irgendwo anders gepresst werden wird und dann nach
Casablanca verkauft. Er meint dass die Dinge dort recycelt werden. Bis dahin
schmeißen die Menschen aus Mangel an Alternativen und aus dem Grund dass sie
die eigene Verantwortung dafür ablehnen und auf dem Standpunkt beharren dass
die Behörden eine Lösung finden müssen, ihren Müll einfach vor die Haustür—und
es tut mir fast körperlich weh zu sehen wie die wunderschöne Wüste und die
letzten grünen Pflanzen von Plastik erstickt werden. Schließlich kann ich
Mustapha überreden wenigstens einen Tag zu machen, an dem das Dorf gemeinsam
Müll in der Gegend aufsammelt, den wir anschließend nach Agadir fahren wo es
Mülltonnen gibt und wo der Müll– hoffentlich- recycelt wird. Ich freue mich-
auch wenn Mustapha meint die Sensibilisierung der Menschen nutze nichts, weil
eben noch keine andere Lösung existiert. Er meint das ist ein Projekt für 2016,
was ich etwas anders sehe und schade finde, aber vielleicht habe ich da noch
einen zu idealistischen Blick auf die Dinge. Und ein Anfang ist gemacht…
Mustapha ist es momentan wichtiger den Kindern des Dorfes
etwas mitzugeben. ER hat sieben PCs beschafft und möchte dass wir den Kindern
des Dorfes neben dem Hühnerstall Französisch- und EDV- Unterricht geben. Das
soll quasi eine Sommerschule sein; und die Idee ist sicher gut; ich bin mir
aber nicht sicher ob wir dafür die Richtigen sind, da keiner von uns beiden
arabisch spricht und die Kinder –außer Bonjour- kein Wort Französisch können.
Also wird zumindest der EDV- Unterricht kompliziert werden. Heute Abend ist die
erste Unterrichtseinheit- es bleibt spannend.
Überirdisches Wasser
Ein wunderschöner Fluss fließt durch Oumifiss. Eines der wenigen Gewässer die im Süden Marokkos an der Erdoberfläche zu finden sind und natürlicherweise vorkommen. Er beherbergt Fische, Schildkröten, Schlangen. Er riecht gut und um ihn herum kann viel Grün gedeihen. Ein Junge steht am Fluss mit einer Angel die er sich mit einem Bambusstab gebaut hat. Er fängt einen Fisch und die Begeisterung ist groß. Als ich frage ob sie die Fische essen ist die antwort nein. Als ich weiterfrage warum nicht, ist die Antwort etwas komplexer. Das Abwasser aus den Haushalten hier wird in großen Becken gesammelt und wieder aufbereitet. Dennoch übersteigt es ab und an die Kapazitäten der Anlage und wenn das geschieht, dann werden zweimal im Jahr die Schleusen geöffnet und das Abwasser fließt dahin, wo es Wasser schon Wege gezeichnet hat: es landet in dem schönen Fluss mit den wilden Tieren und dem vielen Grün. Und der schöne Fluss fängt an zu stinken, man kann nicht darin baden, Müll treibt darin und die Fische kann man nur noch angeln- nicht essen. Mit den wenigen Wasserquellen die überirdisch noch existieren ist es leider dasselbe Trauerspiel; inklusive dem Meer.
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