Dienstag, 16. September 2014

Ankunft in München

Nach drei Stunden nachts am Flughafen Barcelonas komme ich viel zu schnell am nächsten Morgen in Deutschland an. Über den schon weißen Bergen herrscht noch strahlender Sonnenschein, aber als Wir zur Landung ansetzen passieren wir eine dicke Wolkenschicht und Nebel heißt uns willkommen.
Durch München laufend kommt es mir vor als erwache ich gerade aus einem Traum- oder als befände ich mich in einem Traum? Zwei Welten die so verschieden sind, so kontrastreich und doch beide so real- Paralleluniversen. Die Straßen kommen mir sehr sauber- beinahe penibel gepflegt vor; ebenso wie die Menschen. Plötzlich fühle ich mich in meiner weiten Hose und dem Kapuzenpulli ziemlich underdressed, womit ich in Marokko absolut nicht aufgefallen war. Zum Glück scheint die Sonne und es ist hier der erste warme Tag seit langem sodass ich nicht friere und der Temperaturunterschied nicht zu krass ist. Am Viktualienmarkt angekommen muss ich daran denken, dass hier ja ständig im Gespräch ist, dass man ihn- ob der hygienischen Zustände- schließen sollte. Wenn ich vergleichsweise an die Märkte in Marokko denke muss ich lachen: Die offenen Lebensmittel dort werden regelmäßig von Spatzen und Nagetieren aufgesucht; am Fischmarkt werden die Fischkisten direkt am Boden gelagert; in der Mischung aus Fischinnereien, Abfällen und Meerwasser. Die Liste ist lang und damit der Kulturschock- der sich garantiert die nächsten Wochen einstellen wird nicht gleich zu Anfang einsetzt frühstücken wir eine Fischsemmel- auch sie schmeckt anders als in Essaouira, aber das Meer vorstellen kann man sich trotzdem.  

Montag, 15. September 2014

Anbruch des letzten Tages



















Ich sitze hier auf der Dachterasse vor meinem Zimmer an einem blauen Tisch. Heute ist es ruhiger als die letzten Tage, die Wellen umspülen die Stadtmauer von Essaouira, Fischkutter sind unterwegs- begleitet von Schwärmen von Möwen. Es ist acht Uhr morgens und die Stadt schläft noch- Es ist noch richtig kalt draußen und die Feuchtigkeit hat sich wie ein Film aus feinen Tropfen auf alles gelegt. Drei wundervolle Tage in Essaouira liegen hinter mir; ein paar Stunden hab ich noch bevor mich der Bus nach Marrakech bringt von wo aus mein Flieger startet: nach Barcelona und anschließend nach München- noch eine absurde Vorstellung in 24 Stunden wieder in vollkommen anderen Gefilden zu sein. Meine Klamotten riechen nach Feuchtigkeit und Meer und ich freue mich, den Großteil meiner Sachen hier Menschen zu schenken: meiner Vermieterin, einer einheimischen Mama überlasse ich meinen gemahlenen und gerösteten Weizen und den Couscous, was zu einer längeren Diskussion über die Zubereitungsmethoden und großer Freude führt. Die Tochter von Aicha bei der ich zweimal essen war (die beste Krabbenpfanne meines Lebens) bekommt die Armreifen die ich nie tragen werde. Meine Lieblingsbücher bekommen zwei deutsche Mädchen die hier Urlaub machen; die Reste des Essens und meine Klamotten hat Zeynabu in Oumifiss bekommen. Mein Koffer hat wieder ein tragbares Gewicht dass ich aber zum Teil sofort wieder mit Arganöl fülle. Bisher hatte jeder Tag hier einige Überraschungen bereitgehalten; ich bin gespannt was mich heute erwartet.

Samstag, 13. September 2014

Aufbruch

 Es ist noch stockdunkel, als morgens um 6:00 Uhr der Wecker klingelt. Mit meinem viel zu schweren Koffer (gestern kamen vier Kilogramm Gewicht durch die Geschenke dazu) machen wir usn auf den Weg nach Goulimime wo um 7:15 mein Bus fahren soll. Er ist nicht da- und wir setzen uns in ein Café gegenüber, trinken Milchkaffe marokkanischer Art in kleinen Gläsern und essen in Fett gebratene Crèpes mit Schmelzkäse und Honig. Um acht Uhr kommt der Bus schließlich und weitere dreißig Minuten später befinde ich mich endlich auf dem Weg nach Agadir. Vor ziemlich genau 9 Wochen bin ich denselben Weg mit einem Taxi gekommen; damals habe ich aber vor Müdigkeit nicht mehr viel mitbekommen. Nun sehe ich die Hügel, die Steinwüste, die kleinen Betriebe mit Olivenbäumen und die Geschäfte mit Arganölprodukten am Straßenrand. Zum Glück ist es ein Bus der Gesellschaft MCF (das größte und bekannteste Busunternehmen in Marokko, sodass es eine Klimaanlage und genügend Platz gibt und man keine Angst hat dass der Bus auseinanderfällt wenn Wind aufkommt. Eineinhalb Stunden später hält der Bus und alle steigen aus: es ist Zeit um zu frühstücken. Das habe ich schon und so warte ich, bis der Busfahrer und sämtliche Mitfahrer ihren Tee und ihre Crèpes verspeist haben und wir nach dreißig Minuten weiterfahren. Zwischendrin hält der Busfahrer plötzlich am Straßenrand und steigt aus. Ich frage mich was nun wohl passiert, aber er kauft nur einen Packen frischer Minze am Straßenrand und die Fahrt geht weiter. Hinter mir sitzt eine Mutter mit ihrem Säugling der fast durchgehend schreit und nach sechs Stunde Fahrt tut selbst im gemütlichsten Bus dann doch einiges weh. Daher bin ich sehr froh als wir die Mittagspause einlegen und sich der Busfahrer eine Tajine am Straßenrand gönnt. Gestärkt geht es weiter: die Straße schlängelt sich an der Küste entlang wo sich roter Stein und weißer Sand abwechseln und mischen. Teilweise sind kaum Menschen zu sehen und teilweise sind die Strände gut besucht. Immer wieder sieht man Menschen mit Pferden oder Kamelen am Strand entlang reiten und wenn wir an touristischen Stränden vorbeifahren drehen die Männer im Bus die ohne Frauen unterwegs sind ihre Köpfe nach den im Bikini spazierenden Frauen um. In Agadir sind zwei Touristinnen zugestiegen und ich verstehe in dem Moment warum Touristen wenn sie aus Ländern wie Marokko ´
heimkommen über unangemessene Blicke klagen trotzdem sie ‚normal’ angezogen waren. Selbst mir fällt es schwer den Blick abzuwenden von den zwei blonden Frauen die mit Top- sprich Ärmelfrei und mit Ausschnitt- den Bus betreten. Passenderweise sprechen sie feinstes Englisch mit Londoner Akzent, tragen Capis, kurze Hosen und beginnen im Bus ihre Brotzeit zu machen; mit Chips und Cola. Unter den verschleierten Frauen wirkt die Szene fast grotesk; als wir Mittagspause machen sind die zwei stark irritiert und wir kommen ist Gespräch. Sie erzählen dass sie eine Woche hier sind und am nächsten Tag wieder zurückfliegen, dass ihnen das Essen nicht schmeckt und dass sie- auch wenn es kulturell sehr interessant war wohl trotzdem nicht zurückkommen werden. Als wir uns in Essaouira angekommen ein Taxi in die Stadt teilen verlangt der Taxifahrer nicht wie vorher ausgemacht 30 Dirham sondern aus unerfindlichen Gründen 10 Dh mehr- für eine Strecke die nicht mal fünf Minuten dauerte. Solcherlei Erfahrungen- erzählen die zwei- haben sie wohl jedes Mal gemacht- ein Grund nicht zurückzukommen…

Ankunft in Essaouira



















In Essaouira angekommen bin ich erstmal beinahe überfordert mit so viel Schönheit. Das ändert sich aber schnell, als ich von Männern die mir ein Zimmer andrehen wollen regelrecht belagert werde. Mit Mühe und Not und viel Ignorieren werde ich den Großteil aber schnell wieder los und mache mich auf den kurzen Fußweg zu dem Hostel das ich vorab ausgesucht habe. Auf dem Weg dorthin spricht mich ein Mensch ausnahmsweise auf eine sehr angenehme Art an und ich beschließe mir das Zimmer das er mir für 100 Dirham pro Nacht anbietet anzusehen. Er führt mich in einen dunklen Hauseingang wo wir erst einmal drei steile Treppen erklimmen; oben angekommen braucht es allerdings nicht mehr viel Überzeugungskraft: Eine Dachterasse mit direktem Blick auf die Stadtmauer, Westen und das Meer sind die Belohnung für den Aufstieg; das Zimmer ist klein und heimelig mit einem großen Bett, Bad und Küche wird mit anderen Mitbewohnern geteilt. Insgesamt ist Platz für fünf Personen; die Wände sind weis getüncht, Fensterrahmen und Türen in bestechend schönem blau. Die helle Sonne dringt durch teilweise bunte Glasscheiben in den Flur und wie so oft in den Häusern hier kann man von ganz oben auf die anderen Stockwerke schauen: in dem Fall nur ein Stockwerk tiefer, wo unsere Vermieter wohnen die eine wunderschöne grüne Oase in dem Zwischenteil errichtet haben.
Ich lasse mich treiben- von der Haustür aus versuche ich noch mir zu merken wo ich wohne und folge dann einfach- meiner inneren Stimme? Die führt mich zuerst zum Hafen wo Fischer haufenweise ihre Waren direkt abgeladen weiterverkaufen. Offene, flache Schuhe sind eindeutig nicht die richtige Bekleidung- nach ein paar Metern habe ich Schmodder an den Füßen aber das Treiben hier ist zu faszinierend: Man scheint hier alles zu finden was die Unterwasserwelt zu bieten hat und zwischen Fischköpfen und entsorgten Innereien tummeln sich Katzen und Möwen. Nach einem Strandspaziergang bekomme ich Hunger und beschließe mich auf die Suche nach zubereitetem Fisch zu machen. Bei der kurzen Dusche daheim mache ich die Bekanntschaft zweier netter junger Frauen und nach zwanzig Minuten Unterhaltung auf englisch und der Vereinbarung zum gemeinsamen Abendessen stellen wir fest, dass wir alle drei deutsche sind.

Freitag, 12. September 2014

Abschied


Zum allerersten Mal seit ich hier bin gibt es für jeden einen Joghurt zum Nachtisch- noch nie hat Joghurt so gut geschmeckt. Sogar der künstliche Erdbeergeschmack ruft Entzückung hervor und kann die Freude nicht trüben. Abends möchte Mustapha mit uns noch einen Ausflug nach Goulimime machen, damit wir uns von Zeynabu verabschieden können. Eigentlich sollten wir um 19:00 Uhr losfahren, letztendlich ist es 21:30 bevor wir im Auto sitzen—die Männer des Hauses- Ayoub, Najib und Mustapha- haben sich heute herausgeputzt, mit Anzug, Parfüm, Gel in den Haaren. Als wir in der Stadt ankommen herrscht reges Treiben: tausende von Menschen sind auf den Straßen, Gerüche von Zuckerwatte mischen sich mit dem Duft nach gegrilltem Fleisch; Autos, Esel, Fahrrasfahrer, Fußgänger- alles wuselt durcheinander. Der Trubel ist größer als im Ramandan- Monat, in dem sich ebenfalls nachts Massen von Menschen auf den Straßen tummeln, die während des Tages vor der Sonne Schutz suchend in den Häusern ausharren. Die Stimmung in folksfestartig: Kinder mit Süßigkeiten sind überall unterwegs, Musik schallt und langsam taucht- unbemerkt vom ganzen Trubel- der Mond hinter den Hügeln auf. Nach mehrfachen Zwischenstopps und Plaudereinheiten Mustaphas kommen wir schließlich da an wo wir hinwollen: an den Zelten mit den Naturprodukten die verkauft werden. Drinnen gibt es lauter kleine Stände an denen meistens Frauen sitzen die ihre Produkte verkaufen bzw. ihre Organisationen vorstellen: es gibt viele Stände für Arganölprodukte, Honig der hauptsächlich aus den Blütenpollen von Kakteen hergestellt ist, in Handarbeit hergestellten Couscous, Olivenöl, Eier… Die Stimmung ist ausgelassen und friedfertig und an einem Stand entdecken wir schließlich Zeynabu, die für Mustapha die Ass. Aicha repräsentiert. Wir sind gekommen um uns zu verabschieden und Zeynabu hat sogar Abschiedsgeschenke für uns: eingepackt in schillerndes pinkes Paier findet jeder von uns einen blauen Schal. Dianes ist türkis, meiner ist in hellem blau. Die helle Farbe hat Zeynabu ausgewählt, weil sie mit den Frauen im Dorf der Meinung ist, dass ich sehr hell bin; Mustaphas Frau erzählt sogar überzeugt dass ich blond sei. Heller als viele andere hier bin ich zwar tatsächlich, der Kommentar zu meiner Haarfarbe bringt mich dann aber doch zum Lachen. Nicht so Zeynabu- ihr fällt der Abschied sehr schwer und sie möchte dass ich schnell gehe nachdem ich sie zum Abschied gedrückt habe. Nach einem kurzen Abschieden und weiteren Abschiedsgeschenken machen wir uns auf den Weg etwas Essbares zu suchen. Wir halten in einer kleinen Gasse vor einem kleinen Fischlokal. Uns erwartet eine riesige Fischplatte mit allen möglichen frittierten Meeresfrüchten, Brot und ein Dipp, Oliven und dazu ein Schälchen marokkanischer Salat: Tomaten, Paprika, Zwiebel, Essig, Öl… Es ist himmlisch lecker und ich frage mich warum wir das am letzten Abend machen; zwischendrin wäre das ein sehr motivierendes Erlebnis gewesen: eine gewaltige Abwechslung zu Tajine, Nudeln und Couscous. Nach einer halben Stunde verlassen wir das Lokal- glücklich und satt und fallen um 01:00 Uhr schließlich in unsere letzte traumvolle Nacht in Oumifiss.

Donnerstag, 11. September 2014




Schafe- ein neues Projekt

 
Plötzlich vergeht die Zeit ganz schnell- der letzte Tag in Oumifiss ist angebrochen und nach einem besuch im Hühnerstall und der täglichen Routine verkündet uns Mustapha stolz, dass er nun Schafe hat. Dreißig Stück hat er einem Schäfer in Goulimime abgekauft und er will seine Herde bis auf mindestens fünfzig Schafe vergrößern. Wir dürfen die Herde besichtigen und finden einen ca 25m² großen Stall vor, wobei der Ausdruck ‚Stall’ übertrieben ist, es handelt sich vielmehr um ein ummauertes Stück Erde. Noch scheint die Sonne erbarmungslos auf die Tiere herab- in den folgenden Wochen soll ein Netz gespannt werden, sodass genügend Schatten vorhanden ist. Sie sollen ebenfalls Luzerne verfüttert werden weil Mustapha meint dass es genügend gibt um davon achtzig Schafe zu ernähren- auf Nachfrage ob er die alle in dem Stall halten will lautet die Antwort „Aber natürlich! Hier passen auf Jeden Fall achtzig Schafe rein“ und auf die Frage ob er bei seiner Berechnung der Luzerne einberechnet hat, dass er seine Hühner (von denen er eigentlich mal 1000 auf engstem Raum halten wollte) ebenfalls damit ernähren möchte, schweigt er kurz und meint dann dass die überhaupt nicht viel Luzerne brauchen. Er erzählt das, gerade nachdem am Vorabend die Spezialisten für Hühner anwesend waren und verkündet haben, dass die Hühner unterernährt sind.


Ein Schäfer soll sich um die Schafe kümmern und darum, dass jeden Tag genügend Luzerne in den Stall kommt. Letzteres klingt in meinen Ohren sehr unrealistisch weil es bisher niemand geschafft hat, die Hühner auch nur annähernd täglich mit dem grünen Kraut zu versorgen, aber wer weiß, vielleicht ist es ein engagierter Schäfer der motiviert genug ist jeden Tag für dreißig Schafe Grünfutter mit der Sichel zu schneiden. Auf die Felder will Musapha sie nicht lassen, weil er Angst hat, dass sie Verwüstung anrichten könnten. ‚Mein’ Hund soll zum Hütehund erzogen werden- Mustapha hat versprochen sich zu kümmern dass er gut ernährt wird (er bekommt immer die toten Hühner und die Eier die nicht mehr verwendet werden können) und will ihm eine Anti- Parasiten- Kur verpassen. Ich hoffe dass das ein gutes Hundeleben wird, frage mich aber was er hüten soll wenn die Schafe in den vier Wänden eingesperrt sind (abgesehen von meinen Zweifeln was die versprochene gute Ernährung betrifft). Ich bin sehr froh diesen Ort zu verlassen- diese Art von Tierhaltung bei der es eigentlich an allem fehlt was zu artgerechter Tierhaltung zählt, was aber gleichzeitig als normal und legitim empfunden wird macht mich traurig und fassungslos. Natürlich herrschen hier andere Standards und Werte, aber ich merke dass mir das Wohl anderer Lebewesen so am Herzen liegt dass es mir immer schwerer fällt meinem Chef wertschätzend und offen zu begegnen. Es sollte nach keinen Standards als ausreichend gelten, Tiere in ein ummauertes Gebiet zu stellen und ihnen einmal am Tag vertrocknete Blätter des Johannesbrotbaumes und ein paar grüne Stängel zu servieren. Aber ethische Urteile bringen leider- ebenfalls wie Kommunikation nicht weiter- ich befürchte dass auch hier die Erfahrung von Nöten ist, dass erstmal die Hälfte des Bestandes stirbt bevor bemerkt wird, dass vielleicht doch irgendein Aspekt der Tierhaltung nicht zu erwünschtem Ergebnis der Vermehrung der Tiere führt.

Mittwoch, 10. September 2014

Überraschungen bzw. Hoffnung für die Hühner?

Die vermeintlich vollen Tage dieser Woche- voll von wichtiger Arbeit die uns erwartet versteht sich- sind doch nicht so arbeitsreich wie gedacht. Der Hühnerspezialist auf den wir warten seit ich mein Praktikum hier begonnen habe und der eigentlich eben in dieser, meiner letzten Woche auftauchen sollte ist verhindert. Er kann erst Ende Oktober kommen. Dennoch habe ich heute zum ersten Mal den Eindruck, dass etwas von der Katastrophe im Hühnerstall von der ich Mustapha ständig berichte tatsächlich zu ihm durchdringt. Nachdem gestern und heute insgesamt wieder mal fünfzehn Küken und junge Hühner verendet sind- aus Gründen die wir nach wie vor nicht kennen, bzw. nicht spezifizieren können und folglich auch nicht wirklich etwas unternehmen, ist er heute zum ersten Mal ziemlich verzweifelt. Er drückt mir das Telefon in die Hand und ich telefoniere wenigstens mit dem Spezialisten, der natürlich übers Telefon auch keine Diagnose dessen wagt, was die Ursache der krepierenden Tiere sein könnte. Er meint ich solle ein Huhn sezieren um zu sehen wie die inneren Organe aussehen und dann können wir noch mal telefonieren. Meine Freude darüber hält sich in Grenzen- ich habe so was bisher noch nicht gemacht- zuzusehen wie mein Bruder Fische ausnimmt oder Enten schlachtet war bisher das höchste der Gefühle. Nun denn, immerhin ist Mustapha jetzt tatsächlich bereit einiges zu ändern- wir kaufen endlich Atemschutzmasken und Handschuhe, Material um die Ställe richtig zu trennen, sodass infizierte Hühner nicht zu den anderen fliegen wenn ihnen der Sinn danach steht, und Desinfektionsmittel. Ich habe nicht den Eindruck für die Hühner etwas verändert zu haben, aber ich hoffe inständig, dass meine Präsenz wenigstens ein Anstoß ist gewisse Dinge zukünftig anders zu machen.

Es gibt doch noch Überraschungen: so kamen gestern kurzfristig zwei Menschen zur Beratung angereist; wie es dazu kam ist mir weiterhin schleierhaft aber dennoch ist es ein guter Abschluss gewesen, die Meinung der Fachkräfte zu diesem Hühnerstall zu hören. Das Fazit: die Grundimpfungen müssen dringend durchgeführt werden, ebenso wie die bessere Stallhygiene. Vor allem aber leiden alle Hühner an Vitamin- und Mineralstoffmangel; eine Tatsache, die Mustapha aus meinem Mund nicht hören wollte. Stolz hat er immer verkündet dass seine Hühner gut ernährt werden, vor allem wenn er anwesend ist und ab und an Gemüse aus der Stadt mitbringt. Dass Luzerne als Quelle von Vitaminen und Proteinen nicht reicht war mir zwar bewusst, dennoch konnte ich nie eine Lösung anbieten- woher die Nahrungsmittel nehmen, woher das Grün welches es hier einfach nicht gibt? Die Lösung sind nun fertig gemischte Zusätze die in Casablanca bestellt werden. Das ist wohl auch der Grund für die hohe Mortalitätsrate der Kücken und jungen Hühner, ebenso wie für die Anzahl toten Kücken in den Eiern die gar nicht erst schlüpfen weil sie nicht genügend Nährstoffe bekommen um sich zu entwickeln. Während ich erleichtert bin und froh bemerke ich dass Mustapha weniger begeistert ist ob der Tatsache, dass diese Zusätze aus Casablanca und Rabat bestellt werden müssen, was natürlich kostet. Da aber von den Kücken die geschlüpft sind hinterher ¾ verendet sind- um genau zu sein: von 1000 geschlüpften Kücken wurden 200 letztendlich verteilt (und die Kücken die in den Eiern gestorben sind, sind hierbei noch  nicht mit einberechnet)- denke ich dass Mustapha dennoch den Schritt machen wird etwas mehr auszugeben in der Hoffnung seinem Projekt damit auch zu mehr Erfolg zu verhelfen.  

Post- ein Packet kommt an

Am nächsten Morgen um acht Uhr ist die Luft angenehm kühl und weiße, weiche Wolken liegen vor den Bergen in der Ferne. Die Sonne scheint und wärmt mit ihren ersten Strahlen, Vögel zwitschern- sonst ist alles still. Ein erfrischendes Bad und ein paar Schwimmzüge im Wasserbasin im warmen Licht und dem Duft des Morgens sind der beste Start in den Tag. Später sind wir auf Tour in Goulimime um einiges einzukaufen und anschließend ein Packet von der Post abzuholen, auf dass ich schon seit geraumer Zeit- genauer gesagt drei Wochen- sehnsüchtig warte. Glücklicherweise ist es heute- genau 24 Stunden vor meiner Abreise angekommen und mit Ausweis und sonstigen Papieren machen wir uns auf den Weg zur Poststation an der alle Post für die Menschen in der Umgebung gesammelt wird, da es keinen Briefträger für die Dörfer gibt. Dort angekommen füllt der Beamte erst einmal zwanzig Minuten lang Zettel aus, bevor ich das Packet in Empfang nehmen darf. Aber schlussendlich- und darauf kommt es schließlich an- verlassen wir die Poststation mit einem Päckchen unterm Arm in dem unter Anderem der Lesestoff steckt den ich mir sehnlichst gewünscht hatte.

Montag, 8. September 2014


Ruhige Tage


Die Tage vergehen und das Klima ist inzwischen richtig angenehm. Es weht ein frischer Wind vom Meer, die Sonne scheint aber ab und an schieben sich ein paar Wolken davor und das Blau des Thermometers klettert nicht mehr über 36° Celsius. Die Situation im Hühnerstall bleibt unverändert- die Küken die das Licht der Welt erblicken werden allzu bald in einen dunklen Stall entlassen. Ansonsten passiert nicht viel die Tage. Alle Arbeiten die gemacht werden sollten stehen in der Warteschleife, weil das Material erst geliefert werden, und weil der Hühnerspezialist erst auftauchen muss von dem sich Mustapha erwartet, dass er alle Probleme löst die es momentan hier gibt. Er verspricht sich durch mehrfache Impfungen gesunde Hühner zu erhalten; ‚Bio’ bleibt trotzdem auf seinem Logo. Es bleiben noch wenige Tage hier in denen laut Plan noch einiges passieren sollte- ich bin gespannt.

 















Morgens, bevor der Tag richtig beginnt habe ich mir angewöhnt spazieren zu gehen. Auf dem kleinen Hügel neben dem Dorf. Von dort aus kann man weit sehen… Wüste, in der Ferne Berge, Himmel. Ein junger Hund begleitet mich begeistert Tag für Tag. Er kommt sofort wenn man nach ihm pfeift und wenn er nicht seine Spiel- Anfälle hat und einem ständig versucht in die Hosenbeine zu beißen läuft er entspannt mit oder jagt den kleinen Libellen hinterher die viel zu schnell für ihn sind. Im Dorf heißt er nur noch ‚Amrei’s Hund’ und keiner mehr wirft Steine nach ihm. Leider darf er nicht mehr zu Mustapha in den Innenhof, weil sein Lieblingsplatz im Schatten auf den jungen Ziehbäumen war, die sich von seinem Gewicht leider nicht mehr erholt haben. Abgesehen davon haben ihm die Hofkatzen den Kampf angesagt und den verliert er meist: gegen die schnellen und geschickten Angriffe hilft auch seine tollpatschige, gewinnende Art nicht. Aber er wartet dafür immer vor den Türen, unter den Autos- geschützt vor der Sonne und den Menschen. Sobald man in Erscheinung tritt wackelt er- nicht nur mit dem Schwanz sondern- vor Begeisterung mit dem ganzen Körper. Gestern hat Mustapha beim Abendessen schließlich verkündet dass es reicht; dass er sich des Hundes annimmt und Jemanden suchen wird der sich um ihn kümmert. Die toten Hühner aus dem Stall sind ihm schon mal sicher- wobei er ein stattliches Gewicht hat und auf jeden Fall nicht Hunger zu leiden scheint. So verbringt er die Tage in Gesellschaft der Menschen und die Nächte mit seinem zweiten Rudel dass aus vier weiteren wilden Hunden besteht die sich nachts teilweise Kämpfe mit anderen Rudeln wilder Hunde gönnen und dabei das halbe Dorf wach halten. Wobei Letzteres immer leerer wird und man Abends inzwischen oft den Eindruck hat sich ganz allein im Ort zu befinden. Viele Menschen die den Sommer hier verbracht haben, sind abgereist. Mit ihren Familien und ihren Autos mit fremden Kennzeichen. In Oumifiss selbst bleiben noch ungefähr fünfzig Menschen- und viele leere Häuser.



Freitag, 5. September 2014

Großvater mit Affinität zu Deutschland

Ich bin zu Gast- zu Gast bei einer Familie des Dorfes. Alle stellen sich mir mit Namen vor- die Hälfte habe ich leider vergessen nachdem sie ausgesprochen wurden- sie klingen so fremd in meinen Ohren. Der Großvater der Familie ‚kann deutsch’, weil er vor dreißig Jahren mal in Deutschland gelebt hat. Aber wie die Angaben zu seinem Alter (er sagt er sei achzig, sein Sohn sagt er sei hundert und Mustapha erzählt er sei hundertzehn Jahre alt) so gehen auch die Angaben zu der Dauer und zu dem Zeitpunkt seines in Deutschland auseinander. Neben der Problem der Schwerhörigkeit seinerseits stellt es sich als äußerst difficile heraus ein Gespräch zu führen. Er fragt mich immer wieder wie ich heiße und woher ich komme, scheint aber weder meine Antworten noch meine Fragen zu verstehen und die Situation wird eher schwieriger da alle drum herum von mir wissen wollen über was wir reden und was er erzählt. Nach einer Weile verliert der Großteil das Interesse an dem Spektakel in voller Lautstärke bei dem doch nichts herauskommt und nach dem Essen zieht sich jeder zurück. Ein zwanzig-jähriger Sohn des Hauses der mit seiner Mutter aus Paris zu Besuch ist möchte ohne Unterlass mit mir reden. Schließlich kommt er auf das Thema Treue zu sprechen und nachdem ich ihm meinen Standpunkt erklärt habe möchte ich seinen auch wissen. Zuerst ziert er sich aber schließlich meint er, da ich eine Europäerin bin spricht er mit mir darüber obwohl ich eine Frau bin. Mit Frauen spricht man darüber eigentlich nicht. Er erzählt mir, dass Fremdgehen für ihn sehr wichtig ist, dass es quasi die notwendige Pause ist in einer Beziehung. Männer hätten andere Bedürfnisse als Frauen und er brauche die körperliche Abwechslung. Das ändere auch nichts in der Beziehung zu der Frau die er liebe. Wenn allerdings die Frau fremdgehe dann sei das absolut etwas anderes. Das könne man nicht verzeihen und dann sei es absolut aus und vorbei, man könne sich dann als Mann ja gar nicht auf die Frau verlassen und mit der Ehre des Mannes ginge das sowieso nicht. Interessante Perspektive- ich bin wieder mal so froh in einem anderen kulturellen Kontext groß geworden zu sein.

Das Essen


Davon wollte ich eigentlich schon lange berichten. Anmerken möchte ich allerdings gleich zu Beginn dass ich vom Essen hauptsächlich im familiären Kontext bei Mustapha berichten kann und wenn es überhaupt noch weitreichender gilt dann für den Süden des Landes- im Norden ist anscheinend alles anders.
Wie schon erwähnt gibt es morgens Fladenbrot mit Olivenöl, Marmelade und Butter. Letzteres ist nicht immer vollständig vorhanden und normalerweise steht es in drei kleinen Schälchen in der Tischmitte. Dazu gibt es drei Gläschen süßen Grüntees. An guten Tagen und wenn die Frau des Hauses anwesend ist gibt es einen gekochten Brei aus Weizenkleie und Wasser den man mit Datteln isst.
Mittags gibt es meist Tajine. Das ist erstmal nur ein Lehmkochtopf in dem man sehr gut garen kann. Zubereiten kann man damit fast alles- hier gibt es immer Fleisch- Ziege, Huhn oder Schaf- Kartoffeln, Karotten, sehr bittere Oliven und manchmal noch etwas Zucchini. Das Ganze wird ziemlich weich gekocht und mit den Händen, bzw. mit Fladenbrot gegessen. Die erste Woche fand ich das noch ganz lecker, dann viel es mir aber immer schwerer mich jeden Mittag dafür zu begeistern. An besonderen Tagen gibt es alternativ gebackene Auberginenscheiben mit Tomaten, einen Fleischteller und einen Teller mit Salat (viele Kartoffeln- gewürfelt und gekocht- ein paar Salatblätter, grüne Paprika und Tomate). Meist kommt als Nachtisch etwas Obst auf den Tisch: oft sind es Granatäpfel die nun schon seit wir hier sind reif sind und ohne Unterlass gegessen werden. Abends gibt es einen großen Teller mit Reis oder sehr weich gekochte Nudeln- manchmal pur mit einem Glas Milch, manchmal mit Spuren von Gemüse, manchmal mit Fleisch. Alternativ wird, wenn es schnell gehen muss, ein Omelette in der Tajine zubereitet. Manchmal mit grüner Paprika, manchmal mit etwas Tomate und man isst es mit Brot.
In Ausnahmefällen gibt es gegrillte Fleischspießchen, so etwas wie Pizza oder einen Linseneintopf- das ist dann immer ein Grund zum Feiern. Grundsätzlich gibt es keinen Käse und die Mahlzeiten sind extrem salzarm und generell sehr schwach gewürzt zubereitet. Dafür wird sehr viel Fleisch gegessen- meist zweimal am Tag; sehr viel Brot- oft dreimal am Tag und wenn es Gemüse gibt dann meistens sehr lange geschmort. Ich freue mich sehr auf frisches Gemüse und Abwechslung, habe aber auch gehört, dass die marokkanische Küche eigentlich sehr lecker sein soll und es gibt definitiv wunderbare Vielfalt an gutem Gemüse- das sieht man überbordend auf den Märkten. Vielleicht habe ich das Glück auf meiner anschließenden Reise schon mal andere Erfahrungen zu machen.
Zu Ramadan ist die Ernährung ebenfalls eine andere. Im groben- also zu den Hautmahlzeiten bleibt es gleich, nur dass die anstatt um 14:00 Uhr mittags um 00:00 Uhr nachts und statt um 22:30 Uhr abends um 03:30 Uhr morgens gegessen werden. Zum ‚Frühstück’ welches um 19:45 Uhr stattfindet wird das Fasten erst einmal mit einer Dattel gebrochen, anschließend gibt es eine Suppe- entweder aus Linsen, Stärke und Fleisch oder aus Milch und Weizenschrot. Anschließend gibt es salziges Gebäck und eine Menge süßen Kuchen und natürlich Grüntee- geschlafen wird eh erst im Morgengrauen.

Dienstag, 2. September 2014

Verteilen von Huehnern

Abends fahren wir los um fünfzig Kücken an eine Familie abzugeben. Das ist das Projekt worum es geht: die Verteilung der Hühner an die verschiedenen Familien in der Region: eben auch sogenannte ‚Problemfälle’ zum Beispiel geschiedene Frauen, Familien mit wenig Geld und vielen Kindern etc. Wobei ich anfügen muss, dass es hier für eine Frau etwas anderes bedeutet alleinerziehend oder geschieden zu sein als bei uns, da man hier im Süden des Landes tatsächlich noch wesentlich mehr gesellschaftlich konstruierten Einschränkungen unterworfen ist. Viele Menschen hier sprechen auch diesbezüglich sehr abwertend über den Norden des Landes; wenn eine Scheidung hier in der Gegend von Statten geht ist die erste Frage ob einer der beiden aus dem Norden kommt und wenn die Antwort Ja lautet, dann fühlt man sich bestätigt. Bestätigt darin, dass die Menschen im Norden unzuverlässig und unehrlich sind, keine Werte haben und ihre Frauen schlagen; hier hingegen die Frau wertgeschätzt wird und sich das Leben in den richtigen Bahnen bewegt.
Die fünfzig Hühner jedenfalls kommen zu einer intakten Familie dessen Vater einfach ein guter Freund von Mustapha ist und wir werden nach dem Ausladen mit einem großzügigen Mahl erwartet: da es sich ‚nur’ um eine Zwischenmahlzeit handelt gibt es Brot mit Öl, Butter und Honig (das ist das normale Frühstück oder der Snack zwischendurch), Rohmilch, Instant- Kaffee mit heißer Milch, Grüntee, Kaktusfrüchte und Feigen. Drei Stunden später in denen viele Photos gemacht wurden und viel geredet wurde (was kann ich leider nicht sagen) machen wir uns auf den Rückweg, passieren Kakteen, Steine, einzelne Palmen. Als wir durch ein hügeliges Gebiet fahren erzählt Mustapha, dass auch das ehemals ein Dorf war, von dem nur die Lehmhügel geblieben sind nachdem im 18. Jahrhundert alle Spuren menschlichen Lebens inklusive der Bewohner mit einer großen Flut davon gespült wurden. Heute kommen immer wieder Archäologen und graben, suchen und finde Relikte aus dieser vergessenen Zeit, aus der es keine Überlieferungen gibt weil es keine Überlebenden gab. Stück für Stück gibt die Erde Schätze frei die von einer Zeit erzählen als das Leben hier noch sehr anders aussah und es regnete- so sehr dass ganze Dörfer verschwanden. 
Ich bin zu Gast- zu Gast bei einer Familie des Dorfes. Alle stellen sich mir mit Namen vor- die Hälfte habe ich leider vergessen nachdem sie ausgesprochen wurden- sie klingen so fremd in meinen Ohren. Der Großvater der Familie ‚kann deutsch’, weil er vor dreißig Jahren mal in Deutschland gelebt hat. Aber wie die Angaben zu seinem Alter (er sagt er sei achzig, sein Sohn sagt er sei hundert und Mustapha erzählt er sei hundertzehn Jahre alt) so gehen auch die Angaben zu der Dauer und zu dem Zeitpunkt seines in Deutschland auseinander. Neben der Problem der Schwerhörigkeit seinerseits stellt es sich als äußerst difficile heraus ein Gespräch zu führen. Er fragt mich immer wieder wie ich heiße und woher ich komme, scheint aber weder meine Antworten noch meine Fragen zu verstehen und die Situation wird eher schwieriger da alle drum herum von mir wissen wollen über was wir reden und was er erzählt. Nach einer Weile verliert der Großteil das Interesse an dem Spektakel in voller Lautstärke bei dem doch nichts herauskommt und nach dem Essen zieht sich jeder zurück. Ein zwanzig-jähriger Sohn des Hauses der mit seiner Mutter aus Paris zu Besuch ist möchte ohne Unterlass mit mir reden. Schließlich kommt er auf das Thema Treue zu sprechen und nachdem ich ihm meinen Standpunkt erklärt habe möchte ich seinen auch wissen. Zuerst ziert er sich aber schließlich meint er, da ich eine Europäerin bin spricht er mit mir darüber obwohl ich eine Frau bin. Mit Frauen spricht man darüber eigentlich nicht. Er erzählt mir, dass Fremdgehen für ihn sehr wichtig ist, dass es quasi die notwendige Pause ist in einer Beziehung. Männer hätten andere Bedürfnisse als Frauen und er brauche die körperliche Abwechslung. Das ändere auch nichts in der Beziehung zu der Frau die er liebe. Wenn allerdings die Frau fremdgehe dann sei das absolut etwas anderes. Das könne man nicht verzeihen und dann sei es absolut aus und vorbei, man könne sich dann als Mann ja gar nicht auf die Frau verlassen und mit der Ehre des Mannes ginge das sowieso nicht. Interessante Perspektive- ich bin wieder mal so froh in einem anderen kulturellen Kontext groß geworden zu sein.

Montag, 1. September 2014

 Perspektiven- Hochzeit- Trennung

Zeynabu hat mir ihre Geschichte erzählt: sie hat geheiratet. Als sie jünger war. Aber die Schwiegermutter wollte sie nicht und so wurde die Hochzeit aufgelöst. Und seither wohnt sie wieder mit ihren Schwestern und Eltern in Oumifiss anstatt mit ihrem Mann in Agadir. Und die Eltern machen es ihr nicht leicht. Freude und Licht kam in ihre Tage in letzter Zeit, weil sie mit einem Mann telefonierte der evtl. um ihre Hand anhalten würde. Vorgestern hat sie mir das erzählt- sie strahlte ob der Möglichkeit, aber das darf alles keiner wissen. Nicht die Eltern- niemand weil es sonst Ärger gibt. Aber heute musste sie weinen. Sehr. Eine starke Frau wie Zeynabu weinen sehen ist irgendwie erschütternd. Sie ist lebensfroh und jung und schön und sie weint weil sie nichts ändern kann und ihre Hoffnung zerplatzt ist: auf ein anderes Leben. Auf ein Leben außerhalb der Reichweite der Fittiche der Eltern und außerhalb des dreißig- Seelen- Dorfes wo der Alltag aus Brotbacken, Haushalt und Hühnern besteht. Der Mann wollte sich nur alleine mit ihr treffen und wollte nicht dass ihre Schwester mitkommt. Das geht aber hier nicht. Und das war schon das Ende vom Anfang- welch traurige Geschichte. Also warten weiterhin Hühner und Haushalt auf sie- jeden Tag. Und die Zeit vergeht so schnell bis man dreißig ist und nicht mehr heiraten wird. Bis die Geschichte geschrieben ist und die Zukunft feststeht. In einem Land in dem ca. 70% der Bevölkerung unter 20 Jahre alt sind.
Sie möchte dass ich wiederkomme. So bald wie möglich. Sie meint sie braucht mich hier, und ich kann verstehen was sie meint; Unterstützung, Gemeinsamkeit, Menschen denen man vertraut, mit denen man redet- und kann sie doch nicht trösten. Das Angebot in Deutschland mein Gast zu sein kommt meinerseits von Herzen aber ich weiß ebenso wie Zeynabuh, dass es illusorisch ist- die Frauen die ich hier im Dorf kennengelernt habe und die nicht nur ihre Ferien hier verbringen, haben nichts gesehen von der Welt abgesehen von einem Umkreis von ca 50 Km, vllt manchmal noch Agadir. Da es an Büchern, Schulbildung und PCs sowie Internet fehlt bleibt das für die Frauen auch so- die Männer scheinen mir freier zu sein- zumindest haben die meisten Internetzugang übers Handy und waren schon mal an verschiedenen Orten innerhalb Marokkos. Ob es dadurch einfacher ist, ist die Frage- Achmed scheint sich mit dem Leben hier jedenfalls schwer zu tun. Das kann man zwar bei Zeyabu auch behaupten aber sie schafft es- im Gegensatz zu ihm- sich für die alltäglichen Arbeiten zu motivieren und zu engagieren.
Wie dem auch sei- ich gebe ihr meine deutsche Handynummer und sie mir ihre. Ich frage mich zwar wie wir uns telefonisch verständigen sollen nachdem wir so mit Händen, Füßen, Stift und Papier kommunizieren, aber vielleicht ist es einfach ein Fünkchen Hoffnung im Kästchen mit den wenigen Schätzen- dieser Zettel mit einem Namen und einer Telefonnummer. 


Mustapha fragt mich, was meine Eltern machen. Nachdem er mich fragt wie man meinen Namen schreibt, nachdem ich zwei Monate hier bin und wir schon knapp fünf Monate Mailkontakt haben. Es gibt doch immer wieder Überraschungen. Als ich ihm jedenfalls von meinen Eltern erzähle und ihm sage dass meine Mutter Sozialarbeiterin ist will er mehr darüber wissen. Ich erkläre ihm, dass sie mit Familien arbeitet die Schwierigkeiten haben. Das scheint ihm einzuleuchten und er erzählt seinerseits, ja, auch hier in Marokko gibt es immer mehr familiäre Probleme und spezielle Einrichtungen die jetzt anfangen sich um diese Menschen zu kümmern. Scheidung und Trennungen sind ein riesiges Problem; es sei gefährlich für die Gesellschaft im Allgemeinen und die Kinder in solchen Familien würden oft psychisch krank deshalb. Jedenfalls gibt es viel Arbeit in dem Gebiet- generell der Wertverlust unter den Jugendlichen ist besorgniserregend. Ich werfe ein dass sich die Zeiten und die Werte tatsächlich ändern und stimme ihm zu dass das wohl ein globales Phänomen ist, füge dann aber trotzdem an, dass meine Mutter eigentlich weniger mit solchen Fällen arbeitet als mit Familien mit Migrationshintergrund und Schwierigkeiten oder einem Elternteil der geistig behindert ist oder Ähnliches. Jedenfalls mit Familien die sich schwer tun den Anforderungen des alltäglichen Lebens zu begegnen, dass aber Scheidung und Trennung bei uns schon fast normal ist und daher meist keine gravierenden gesellschaftlichen Konsequenzen nach sich zieht. Er bezweifelt das scheint das Thema aber lieber fallen zu lassen nachdem ich erzähle dass meine Eltern auch geschieden sind. Wahrscheinlich habe ich jetzt den Status des Problemkindes bzw. der jungen Frau mit schwieriger Kindheit; ich wuerde zu gerne wissen ob eventuelle Konflikte wohl in Zukunft darauf zurueckgefuehrt werden?
 

Dienstag, 26. August 2014

Letzter Tag der Fortbildung und eine kranke Sadia

Heute ist der letzte Tag der Fortbildung. Dafür haben wir gestern Nacht noch lange das Vorzimmer des Hühnerstalls geputzt. Das tun wir relativ häufig- durchschnittlich alle zwei Wochen. Dann wird Staub gewischt, desinfiziert, der Boden geschrubbt. Dann ist der Vorraum zum Hühnerstall fast klinisch sauber, während die Bakterien und Flöhe im Hühnerstall nebenan nahezu ungestört weiterleben dürfen. Es gibt ein großes Festessen bei uns. Sadia- die seit einigen Tagen schlimme Schmerzen im Kopfbereich hat (ob das Zahnweh ist oder vom Asthma kommt können wir aufgrund der sprachlichen Barrieren nicht verstehen)- hat zum Glück Hilfe bekommen um für die sechzig Leute ein zwei- Gänge- Menü zu zaubern. Eine Ziege wurde gestern zu diesem Anlass geschlachtet; die gibt es als ersten Gang- mit Brot. Als zweiten Gang werden Nudeln mit Huhn und Rosinen an die Tische getragen; den Abschluss bilden Kaktusfrüchte und ein Obstteller. Heute ist der erste richtig heiße Tag hier- in Guelmim klettert das Thermometer bis auf 51°Celsius, bei uns ist es ca. fünf Grad kühler- aber dennoch definitiv zu viel für meinen Geschmack. Sogar als die Sonne abends untergeht kühlt sich die heiße Luft kaum ab. Sadia windet sich inzwischen vor Schmerzen doch keiner hat eine Idee was man unternehmen könnte. Mustapha meint, einen Arzt gibt es nicht; als ich herausfinden möchte was er damit meint bleibt seine ungeduldige Antwort dieselbe. Schließlich findet Imame ein paar Schmerztabletten die Sadia eingeflößt werden. Langsam scheint es besser zu werden und sie isst schließlich sogar mit uns zu Abend: Nudeln mit Zucker.


Auf der Suche nach Regenwasser

Im Landesinneren bzw. im Norden des Landes stürmt es stark. Es gewittert und es kommen solche Sturzbäche vom Himmel, dass im Landesinneren ganze Dörfer weggespült werden die aus Lehm gebaut sind. Schlimm ist es vor allem an den Orten, wo in Vergessenheit geraten ist, dass ehemals ein Flussbett lag und wo die Menschen sich arglos niederlassen. Dadurch gibt es wohl immer wieder einige Tote- hier spürt man davon aber nichts. Nach wie vor steht die heißt Luft und auch wenn die Sonne nicht scheint so ist die Hitze dennoch so drückend dass jegliche Bewegung zur Anstrengung wird. Nachmittags fahren wir zu dritt- zwei Männer aus dem Dorf und ich- zum Regenwasser holen. Wir nehmen die Straße die Richtung Plage blanche führt und kommen unterwegs zweimal an Männern vorbei die einfach im Nichts- mitten in der Wüste- auf Klappstühlen sitzen und uns interessiert hinterher schauen. Ich frage mich was sie wohl dort machen und wie lange sie wohl dort sitzen- und ich wundere mich mal wieder wie unterschiedlich Leben so sein können. Mir kommt auch der Gedanke, dass mich die Arbeitsmoral die hier herrscht eigentlich gar nicht mehr wundert, weil es mir selbst so geht, dass diese Hitze die untertags herrscht das Arbeiten fast unmöglich macht. Der Brunnen mir Regenwasser ist ein sechs Meter tiefes Becken, das von außen wie eine Wölbung aus Stein aussieht. Die Hälfte des Wassers ist noch da und wir verbringen eine Stunde damit mit aufgeschnittenen fünf- Liter- Kanistern das Wasser aus der Tiefe zu holen und in unsere Kanister zu füllen. Nach eineinhalb Stunden sind wir um fünf Uhr Nachmittags wieder in Oumifiss und ziemlich k.o. Der prophezeite Regen bleibt bei uns leider aus und Mustapha erzählt abends von dem Problem, dass die Wildschweine der Gegend wohl die gesamte Kaktusernte aufgefressen haben, weshalb nicht- wie vorausgesagt- Gewinne erzielt werden konnten. Nichts desto trotz- die Ernste des Johannesbrotbaumes ist nicht verloren und wir bekommen noch jeder ein halbes Glas Saft zum Probieren. Dieser wird zubereitet indem die Kerne entfernt werden, die Früchte zerkleinert und mit Zucker gekocht. Es schmeckt eher nach Medizin als nach Saft- trotz der Süße schmeckt man die Bitterkeit und es bleibt ein pelziges Gefühl in Mund und Hals zurück. Aber- und das überzeugt mich vollkommen- es wird normalerweise Babynahrung damit hergestellt weil der Nährwert so gut sein soll. Bei der sonstigen Ernährung hier freut mich das sehr und ich genieße mein bittersüßes Glas Saft.

Sonntag, 24. August 2014

Desillusionierung

Daran werde ich mich wohl nie gewöhnen- dass nicht kommuniziert wird was auf dem Programm steht. Wir werden immer vor vollendete Tatsachen gestellt: Plötzlich befinden wir uns in einem Raum mit vielen anderen Frauen und es ist klar, dass wir den Rest des Tages dort verbringen werden. Es wird gegessen und gewartet, mit Harz geräuchert und Proviantpäckchen für zu Hause gepackt und genauso unerwartet wie wir in der Situation gelandet sind steht Mustapha wieder im Türrahmen und es ist Zeit zu gehen. Viele Nachmittage und manchmal ganze Tage ziehen so vorüber- Zeit für die Hühner Wasser zu holen hat Mustapha nicht. Andere Werte, andere Schwerpunkte. Ich weiß nicht inwieweit ich mich daran gewöhnen will und kann. Am Rande des Dorfes türmt sich ein Müllhaufen neben dem nächsten. Eines Tages treffe ich Sadia- Mustaphas Hausmädchen- dort, als sie den Müll wegbringt. Sie erklärt mir, dass das unser Müll ist und dass wir den in nächster Zeit mal abbrennen müssen. Langsam kommen mir Zweifel am Wahrheitsgehalt von Mustaphas Aussagen, die da zum Beispiel waren, dass er unseren Müll nach Guelmim fährt wo er umweltgerecht entsorgt wird. Aber nun wundert es mich auch nicht mehr, dass der versprochene Tag an dem Sensibilisierung bezüglich der Müllproblematik und Müllsammeln stattfinden sollte immer und immer wieder von ihm verschoben wird und er nicht wirklich Lust hat mit mir darüber zu reden. Sicher- als Europäer hat man nicht das Recht darüber zu urteilen- schließlich ist es ‚unser’ Müll der über Jahrzehnte nach Afrika verfrachtet wurde und auch in unseren Breiten ist man noch weit entfernt von ‚umweltgerechter’ Müllentsorgung. Dennoch stimmt es mich traurig, dass ich nicht darauf vertrauen kann dass die Dinge die mir erzählt werden der Wahrheit entsprechen.  

Donnerstag, 21. August 2014

Sidi Ifni- die blau- weiße Stadt am Meer

Nach einem kleinen Frühstück bestehend aus Weißbrot und Olivenöl machen wir uns auf den Weg nach Sidi Ifni. Nach dem Reiseführer soll es ein malerisches Dorf an der Küste sein, welches lange Zeit hauptsächlich von Spaniern besiedelt wurde, was an der Architektur und den weiß- blau bemalten Häusern gut erkennbar ist. Auf dem Hinweg nehmen wir zwei Jungs mit, die sich von Guelmim ebenfalls auf die Reise gemacht haben um an dem heißen Tag zum Baden zu fahren. Nach einer knappen Stunde erreichen wir unser Ziel- die Stadt an der Küste. Wir parken in der Nähe vom Strand und die Jungs fragen uns in gebrochenem Französisch ob wir abends wieder zurück fahren. Wir versprechen sie wieder mitzunehmen und machen uns auf den Weg. Der Strand ist- im Gegensatz zum Plage blanche- bevölkert und das Ufer fällt mit roten Felsen steil ab. Der Sand ist mit großen Steinen überschüttet damit ihn die Gezeiten nicht in kürzester Zeit abtragen und neben vielen jungen Surfern die hier ihre ersten Wellen reiten erfreuen sich viele Familien des Wassers mit den leichten Wellen und der weißen Gischt. Der Bademeister pfeift alle zwei Minuten in seine Trillerpfeife um alle Badegäste im überschaubaren Bereich zu halten und wir schlendern am Strand entlang- mit der Sonne im Rücken und den roten Felsen, Sand und Wasser vor uns. Glücklicherweise ist es recht schattig durch die überhängende Felskante und immer wieder werden wir an schmalen Stellen mit Meerwasser umspült. Muscheln und schöne Steine säumen unseren Weg- leider durchsetzt mit Plastiktüten und leeren Milchpackungen- ein unverkennbares Merkmal wie unsere Weltmeere inzwischen aussehen bzw. welche Nachbarn unsere Fische heutzutage haben. Fast wollen wir umkehren- aber wir schauen doch noch um die letzte Ecke und finden einen Aufstieg. Der Weg zurück führt uns durch kleine Siedlungen, kleine Ziegenherden, beschauliche Sackgassen, Gassen voller fremder Düfte und Menschen die im Schatten Schutz suchen vor der sengenden Hitze. Zurück am Strand suchen wir uns eine Bar in der wir eine leckere Fischtajine mit einem noch leckereren frischen Salat verspeisen, die wir in der Küche zuvor besichtigen durften und die uns der Koch persönlich an den Tisch bringt. Beim Besten Willen schaffen wir sie nicht ganz und brauchen anschließend einen marokkanischen Verdauungskaffe- in diesem Fall ein leckerer Espresso mit einem Schuss Milch und Schaum.
Da die Hitze um 15:00 Uhr immer noch- vor allem nach dem gestrigen Sonnenbad- unerträglich ist ziehen wir uns zu einer Siesta in den Schatten des Autos zurück um anschließend einen Stadtrundgang zu machen. Es ist wirklich ein malerischer Ort- viel zu sehen gibt es aber nicht und so kehren wir am Meer zurück. Kaum sind wir in der Nähe des Autos erwarten uns die Jungs vom Morgen. Wir versprechen zu warten während sie die Badeklamotten gegen Trockenes tauschen; wobei ein Freund bei uns bleibt und uns beginnt skurrile Geschichten zu erzählen. Er drängt darauf dass wir fahren und deutet uns dass die Jungs von der Polizei  gesucht werden und uns töten werden wenn wir sie mitnehmen. Die Geschichte wird immer seltsamer als schließlich einer unserer Bekannten mit weiteren Jungs wiederkommt und nun doch nicht mit will- dafür aber gerne Geld hätte. Wir verlassen schneller als geplant diesen schönen Ort und machen uns auf den Rückweg, auf dem wir wieder zwei Jungs aufgabeln die uns anschließend helfen am Straßenrand einen ordentlichen Preis für einen Eimer Kaktusfrüchte auszuhandeln- unser Geschenk für meinen geschenkten Tag.

Guelmim mal anders

Heute ist es wieder an der Zeit mit Anwesenheit zu glänzen und so beschäftigen wir uns noch mal mit der Katastrophe im Hühnerstall: diesmal aber mit dem Ergebnis dass wir Mustapha anhand von fünf toten Junghühnern überzeugen zu können dass es Veränderungen braucht: Abends sollen 100 Hühner an Familien verteilt werden. Damit wäre schon mal das Platzproblem gelöst. Bevor es soweit ist machen wir uns- nachdem die stärkste Mittagssonne vorbei ist- auf en Weg nach Guelmim. Dort versuchen wir Medikamente für die Hühner zu bekommen was sich als recht kompliziert herausstellt: erst bei der zweiten Apotheke kriegen wir eins der drei Mittel die wir suchen und  erst nach einigen Umwegen schaffen wir es, dass Ayoup, der Sohn des Hauses, uns den Weg zum Tierarzt zeigt. Der hat an dem Tag aber geschlossen. Unverrichteter Dinge setzten wir Ayoup am Busbahnhof ab, von wo aus er sich auf den Weg nach Agadir macht, während wir einen Verdauungskaffe zu uns nehmen und uns anschließend zu Fuß durch die Gassen bewegen, die ich mit Mustapha noch nie besucht habe, da er seine ausgewählten Routen und Plätze hat. Nachdem wir ausführlich durch Gässchen gestreift sind und einigen Menschen zugeschaut haben wie sie Möbel aus Holz nahen, Gewänder besticken und Gästen die Haare schneiden kaufen wir noch etwas Obst und Gemüse und machen uns schließlich auf den Rückweg. Wir passieren ein am Straßenrand parkendes Auto, dessen Insassen einen Stopp eingelegt haben um zu beten, den halbfertigen großen Torbogen aus Stein den man noch für weitere vier Jahre wird umfahren müssen und sind ausnahmsweise ‚zu spät’ in Oumifiss. Zu spät um die Aktion der Verteilung der Hühner mitzuerleben. Das ist aber nicht weiter tragisch; es gibt noch ca. 50 kleine Hühner die in den nächsten Tagen verteilt werden sollen und nach einem Abendessen das aus dem Rest der Linsensuppe von Mittag besteht, neigt sich unser ruhiger letzter gemeinsamer Tag dem Ende.

Montag, 18. August 2014

 Hochzeit- Freizeit- hoher Besuch

Tage- Tage der Freiheit. Ich habe Besuch bekommen. Eine freudige Überraschung am Sonntag Abend; aus dem verregneten Deutschland ist der Kontrast wohl recht groß. Wir verbringen helle, sonnige Tage. Am Montag besichtigen wir Stall, umliegende Gegend und nehmen am alltäglichen Geschehen Teil. Mustapha schießt Photos von uns mit den Ortsansässigen um Beweise zu haben, dass wir tatsächlich Kontakt und Austausch besteht. Abends bin ich überrascht dass wir zusammen in meinem Zimmer übernachten dürfen- es scheint sogar selbstverständlich zu sein und dass nur ich den ‚Verlobungsring’ trage ist glücklicherweise auch kein Problem, da mir schon erklärt wurde, dass nur Frauen verpflichtet sind den Ring zu tragen; Männer hingegen sind diesbezüglich frei. Am Montag des ersten Tages machen wir uns auf den Weg- eine Cousine der Familie heiratet. 
 

Die Männer sind zuerst dran mit Essen; für sie beginnt es um 15:00 Uhr. Wir Frauen warten derweil geduldig- wie immer in gepolsterten Zimmern ohne jegliche Beschäftigungsmöglichkeit- und hüllen uns anschließend in die traditionellen Kleider. Diane und ich stolpern mehr zu unseren Plätzen im Festzelt, da es sich als recht kompliziert herausstellt mit den langen Gewändern zu laufen ohne dass gleichzeitig die Hälfte verrutscht und man Haare, Schultern oder Arme sieht. Langsam wissen wir schon was uns erwartet: Tee, Saft, Datteln und Gebäck, anschließend ein dreigängiges Menü und zum Abschluss Früchte. Zwischendrin kommen viele Frauen vorbei, die abwechselnd Parfüm und Cremes verteilen; die Gäste besprühen Weihrauch räuchern. Der süße, schwere Duft ist betörend und mit der lauten Life- Musik mit a- rhythmischen Trommelschlägen verfällt man fast wie in eine Art Traumzustand. Den Frauen die sich erheben, zur Tanzfläche begeben und ihr Gesicht mit dem Schleier bedeckend zu tanzen beginnen scheint es verstärkt so zu gehen. Während einige Frauen und ein paar Mädchen wie in Trance tanzen- die Braut ist nicht anwesend; aber das ist anscheinend normal wie uns Sarah erklärt- stecken sich zwei Musiker eine Zigarette an. Für Frauen ist das im Süden Marokkos ziemlich strikt untersagt, aber das ändert nichts daran, dass die vier Männer im Zelt unter Hundert Frauen kein Problem damit haben zu rauchen.  Als wir schließlich um 23:00 Uhr zurückkommen, bin ich viel zu satt und heilfroh aus meinen duftenden Klamotten schlüpfen zu können. 

La plage blanche

Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zum weißen Strand, „la plage blanche“. Je näher wir über der Küste kommen, desto frischer wird die Luft. Über gewundene Straßen, an Hängen voller Kaktusfrüchte und Menschen die sie am Straßenrand verkaufen erreichen wir schließlich das Meer. Noch ist es diesig; fast geht der Horizont in den gräulich weißen Himmel über und Nebelschwaden hängen über den Zelten die am weiten Strand aufgestellt sind. Einige Autos und viele bunte Zelte aus Stoff bedecken einen kleinen Fleck des weiten Strandes an dem man kaum Zeichen der Zivilisation sieht, soweit das Auge reicht. Wir entfernen uns etwas von den vielen Menschen und suchen uns einen ruhigen Ort zwischen dem Meer und der Brandung des Atlantik. Es weht ein frischer Wind und ich brauche eine Weile bis ich mich an das neue Klima gewöhne und mir warm genug ist um mich im salzigen, wilden Wasser abzukühlen und mich von wellen überspülen zu lassen. Wir trocknen in den Dünen- inzwischen hat sich der Dunst weitgehend verzogen und die Sonne scheint warm und hell. 

Der Sand wird warm und immer heißer, sodass man sich schließlich fast die Füße verbrennt, wenn man sich zu weit vom kühlen Nass entfernt. Seit einigen Jahren wurde von der Regierung ein Bauverbot ausgesprochen sodass der Strand bis einen Kilometer ins Landesinnere leer bleibt von Hotels und Ferienanlagen. So bleibt der wilde, natürliche Strand erhalten- der Landstrich bei dem Wüste direkt auf Meer trifft und der sich hervorragend eignet für alles was mit Wassersport und Urlaub am Meer zu tun hat. Das Muschelsuchen erproben wir noch- als uns die Sonne schließlich zu stark wird und unsere weiße Haut zu rebellieren beginnt machen wir uns auf den Rückweg. Kaum kommen wir weiter ins Landesinnere trifft die Hitze wie eine Mauer auf uns. Die kühle Frische verfliegt innerhalb von Minuten- im Landesinneren ist es schwül und es weht ein heißer Wind. Später gibt es ein Hitzegewitter und zum ersten Mal seit ich hier bin regnet es dicke Tropfen und die Erde wir richtig nass. Diesmal sind es mehr als Spuren von Regen aber dennoch hält der Segen nicht länger als zehn Minuten an. Danach bleibt dampfende Erde zurück und schon wenige Stunden später fühlt sich der Boden an als hätte es nie geregnet.



Samstag, 16. August 2014

Geburtstagsvorbereitungen

 
Heute ist Dianes Geburtstag. Vor zwei Wochen habe ich mit Mustapha gesprochen und ihn gebeten, ob wir diesen Tag frei nehmen können und etwas unternehmen: an den nahegelegenen Strand fahren, Sidi Ifni- eine nahegelegene Küstenstadt anschauen, oder den Kamelmarkt, der jeden Samstag in Goulimime stattfindet. Eigentlich war der Plan tatsächlich, dass wir einen Tag an den Strand fahren, aber nun hat sich die Situation geändert. Am Nachmittag findet eine Vollversammlung der ‚Association Aicha’ statt; das heißt dass wir keine Zeit haben etwas zu unternehmen. Schade eigentlich. Gestern Abend fuhren wir mit Sarah- Mustaphas zwanzigjährige Tochter, Ayoup- dem siebzehnjährige Sohn und einem Cousin der beiden nach Guelmim. Dort besuchten wir nochmals den Hamam, genossen die Hitze und das warme Wasser um anschließend Diane und Sarah bei einer Tante abzusetzen, in den Supermarkt zu gehen und uns in den Trubel des Souks zu stürzen um für den nächsten Tag ausgestattet zu sein. 
Wir laufen an Ständen voller Obst, voller Bananen, voller Eier vorbei in einen Laden der riesige Körbe voller exotischer Gewürze herumstehen hat. Die Farben leuchten in der schwachen Beleuchtung der Marktstände und der Duft ist betörend stark und abwechslungsreich- eine unbekannte Mischung aus bekanntem wie Zimt und Kümmel und fremden Gerüchen des Orients. Wir betreten eine Metzgerei; beziehungsweise stellen wir uns an die offene Theke und bestellen einen Ziegenschenkel; das Fleisch für die nächsten zwei Tage… 

Anschließend besorgen wir Mandeln und Oliven in einem Laden in dem sich alle möglichen Produkte bis unter die Decke stapeln und alle möglichen Hülsenfrüchte in Körben ausgestellt sind. Zum Schluss handelt Ayoup noch ausführlich mit einem Verkäufer und ersteht schließlich eine kleine rote Teekanne für 20 Dirham- zwei Euro. Die Jugend kauft verschiedenste Sorten Schokolade die wir am nächsten Morgen in rosa- glitzerndes Geschenkpapier packen um sie Diane zu überreichen. In der Annahme dass wir uns auf den Heimweg machen fahren wir am Haus der Cousine vorbei- dem ist dann aber leider nicht so wie ich feststellen muss- die Jungs haben mich nur abgesetzt und machen sich allein noch einmal auf den Weg, während wir wartend weitere zwei Stunden in einem Zimmer verbringen in dem sich- wie immer hier- nichts weiter befindet als Teppiche und Polster. Man muss hier gut träumen können –

Als wir uns doch schlussendlich auf dem Heimweg befinden begleitet uns die Schwester von Mustapha- eine ältere Dame mit viel Energie die sie hauptsächlich dafür einzusetzen scheint uns viel zu dünne Mädchen zum Essen zu animieren. Anstatt poppiger Stromae- Musik tönen nun traditionelle Klänge aus dem Autolautsprecher und der Fahrstil des Cousins hat sich von risikofreudig und viel- zu- schnell zu vernünftig und rücksichtsvoll geändert. Kaum haben wir die Tante abgesetzt ändert sich das wieder schlagartig kaum haben wir die Straße hinter uns gelassen. Sarah erzählt mir, dass Trampen hier ganz normal ist- dass es auch für alleinreisende Frauen kein Problem ist, solange sie tagsüber unterwegs sind. Das irritiert mich etwas, weil Mustapha ständig warnt wie gefährlich alles ist und dass man den Menschen nicht vertrauen kann und mich Sarah hingegen fast eingeschnappt anguckt wenn ich Fragen solcherart stelle. Aber ich denke ich werde Gelegenheit haben, mehr herauszufinden. Während ich schreibe kraxeln die zwei kleinen Kätzchen die schon viel zu lange klein sind (wahrscheinlich weil die Mutter nicht genügend fressen kann um ausreichend Milch zu geben) an dem nahestehenden Sessel herum und beißen abwechselnd in meine Laptoptasche oder sich gegenseitig. 


Geburtstag feiern & Ausflug zur Oase


















An Dianes Geburtstag machen wir uns schließlich auf den Weg zu einer Oase. Die Hälfte fährt mit dem Auto, die andere Hälfte geht die vier Kilometer zu Fuß. Ich bin unglaublich dankbar für das Gefühl in Beinen und Füßen, die sich nach einem Monat nahezu ohne Bewegung endlich wieder richtig durchblutet anfühlen. Nach einer Stunde Wanderung durch Steinwüste erreichen wir unser Ziel; es gibt Torte und dazu Grüntee den wir aus Ermangelung an Strom, Wasser oder Gas auf einem Stövchen mit  Kohle zubereiten. Anschließend machen wir uns auf dem Weg auf den höchsten Hügel in der Gegend von dessen Gipfel wir einen wunderschönen weiten Blick haben. Die Mittagssonne beginnt unerträglich heiß zu werden- da kann auch der frische Atlantikwind nicht mehr darüber hinwegtäuschen und wir machen uns auf den Rückweg. 




















Während die Männer ihr Tajine essen warten die Frauen geduldig, bis sie schließlich an der Reihe sind. Anschließend verfällt die ganze Gruppe im kühlen Schatten des Hauses in tiefen Schlaf. Dreimal schrecken alle aus dem tiefen Nachmittagsschlaf auf- einmal stürmt Ayoup mit fröhlichen „Che tal?“ in den Raum, einmal klingelt Mustaphas Telefon und ein drittes Mal tönt der Gesang der Muezzine durchs Zimmer den wir zuerst nicht zuordnen können dessen Ursprung dann aber nur ein Handywecker ist. Nachdem alle fürs erste ausgeschlafen sind machen wir uns zu elft mit einem Auto auf den Rückweg und kommen gerade rechtzeitig um dort den Nachmittagstee zu trinken.